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Aus: Ausgabe vom 25.01.2025, Seite 7 / Ausland
USA

Neonazis auf freiem Fuß

USA: Unter Begnadigten vom Kapitolsturm Hunderte Extremisten. Trump spricht von »kleinen Vorfällen« und »absolut unschuldigen« Angreifern
Von Alex Favalli
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Mehr ist dazu nicht zu sagen: Protest gegen Trump am Montag in Los Angeles

Fast 1.600: Jede einzelne Person, die wegen des »Sturms auf das Kapitol« am 6. Januar 2021 verurteilt und angeklagt wurde, ist von Donald Trump an seinem ersten Tag seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident begnadigt worden. In lediglich 14 Fällen erhielten die Verurteilten statt einer vollen Begnadigung eine abgemilderte Strafe. Und nur Pamela Hemphill lehnte Trumps Angebot ab. Denn damit würde sie »zu ihrer falschen Propaganda beitragen«, begründete die 71jährige ihre Entscheidung am Donnerstag im Gespräch mit NPR. »Wissen Sie, ich habe an diesem Tag das Gesetz gebrochen – Punkt (…) Und ich will nicht Teil davon sein, wenn sie versuchen, die Geschichte umzuschreiben, was an diesem Tag wirklich passiert ist.« Sie habe sich mit vielen der Fälle auseinandergesetzt und »nicht einer« hätte ihrer Ansicht nach begnadigt werden dürfen.

Zu den Begnadigten gehören unter anderem die zwei »berühmtesten« Namen des 6. Januars, die Neonazis Enrique Tarrio von den »Proud Boys« und Stewart Rhodes von den »Oath Keepers«. Tarrio hatte mit 22 Jahren Gefängnis wegen »aufrührerischer Verschwörung« die schwerste Strafe erhalten, während es für Rhodes 18 Jahre sein sollten. Sie waren zwar nicht vor Ort, sollen jedoch ihre Leute auf den Tag vorbereitet haben, um den rechtmäßigen Machtwechsel nach der Wahl zu verhindern. Seinen ersten öffentlichen Auftritt, nachdem er am Dienstag aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte Tarrio bei »Inforwars«, der Internetshow des rechten Stimmungsmachers Alex Jones: »Trump hat mir buchstäblich mein Leben zurückgegeben«, sagte er dort. Seine »Proud Boys« seien für ihn »durch die Hölle gegangen«, doch das Leiden hätte sich letztlich ausgezahlt. Laut dem National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism haben insgesamt 280 der nun Begnadigten Verbindungen zu 46 ultrarechten Gruppen und Bewegungen.

Der ehemalige Polizeibeamte Michael Fanone, der am 6. Januar einen Herzinfarkt erlitt, nachdem ein Randalierer ihn mit einem Elektroschocker angegriffen hatte, zeigte sich empört über die Entscheidung. »Das ist es, wofür das amerikanische Volk gestimmt hat«, sagte er gegenüber AP. »Wie reagiert man auf so etwas?« Fanone ist einer der mehr als 100 Polizeibeamten, die von dem Mob mit Fahnenstangen, Stöcken und Pfefferspray angegriffen wurden, als das Kapitol gewaltvoll gestürmt wurde.

Auch wenn Vizepräsident J. D. Vance noch kurz vor der Amtseinführung in einem Interview versicherte: »Wer an dem Tag Gewalt begangen hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden«, gibt es diese Fälle für Trump offenbar nicht. So behauptete er am Mittwoch abend bei Fox News, dass es sich bei den Angriffen auf die Polizei um »sehr kleine Vorfälle« gehandelt habe. Die meisten Angeklagten »waren absolut unschuldig« und außerdem wäre es »sehr, sehr mühsam« gewesen, diejenigen auszusondern, die wegen gewalttätiger Übergriffe auf Polizisten verurteilt wurden.

Der US-Präsident hat zwar laut Verfassung die Befugnis, Begnadigungen oder Strafmilderungen auf föderaler Ebene durchzubringen, doch Rechtsexperten warnen vor dem Ende des Justizsystems, als am Donnerstag bekannt wurde, dass die neue Regierung nun auch die laufenden Prozesse der Bürgerrechtsabteilung einfriert. Das Schreiben, das vom Stabschef des Generalstaatsanwalts verschickt wurde, weist den vorläufigen Leiter der Abteilung an, sicherzustellen, dass die Bürgerrechtsanwälte »keine neuen Beschwerden, Anträge auf Intervention, vereinbarte Rückverweisungen, oder Interessenbekundungen« einreichen, wie aus einem Screenshot hervorgeht, der der New York Times vorliegt. Damit sollen die von Trump ernannten Anwälte entscheiden können, ob sie »neue Fälle einleiten« und sicherstellen, dass die Regierung »in ihrer Rechtsauffassung mit einer Stimme spricht«.

Die Entscheidung könnte nun Polizeireformen ausbremsen, die in Louisville nach dem Mord an Breonna Taylor durch Beamte oder in Minneapolis nach dem gewaltsamen Tod von George ­Floyd durch Polizisten mit dem Justizministerium vereinbart wurden. Sie sind bislang nicht von einem Bundesrichter endgültig genehmigt worden.

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