Trump will jetzt auch vertreiben
Von Knut Mellenthin
Vermuten musste man es schon längst. Jetzt ist es offiziell: Donald Trump unterstützt israelische Pläne zur Vertreibung der Bevölkerung aus dem Gazastreifen mit Wort und Tat. Er nutzte am Sonnabend die Gelegenheit eines Inlandflugs mit der Präsidentenmaschine »Air Force One« für eine 20minütige Pressekonferenz. Das ganze Gebiet sei »eine Abbruchbaustelle« und »ein echter Mist«, erklärte Trump. »Wir werden das ganze Ding einfach säubern.« Im Laufe der Jahrhunderte habe es dort »viele, viele Konflikte« gegeben, und »ich weiß nicht, irgend etwas muss geschehen«. »Fast alles ist zerstört und die Leute sterben dort.« Deshalb wolle er mit einigen arabischen Staaten ins Geschäft kommen und »an anderer Stelle Behausungen bauen, wo sie zur Abwechslung in Frieden leben können«.
Trump erzählte weiter: Er habe das Thema mit Jordaniens König Abdullah II. besprochen – bei einem Anruf am selben Tag – und ihm gesagt: »Ich möchte gern, dass du mehr von ihnen übernimmst.« Das gleiche wollte er dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi am Sonntag sagen. Die beiden Länder stehen hinter der Ukraine und Israel auf den Plätzen drei und vier der Empfänger US-amerikanischer Hilfe und sind auf diese wegen ihrer Wirtschaftsprobleme dringend angewiesen.
Es gehe wohl um ungefähr 1,5 Millionen Menschen, sagte Trump den Journalisten im Flugzeug. Auf eine Frage, ob er an eine zeitweise oder an eine langfristige Maßnahme denke, antwortete er: »Beides ist möglich.« Während des Wahlkampfs hatte Trump im Oktober geschwärmt, Gaza könne, »wenn es auf die richtige Weise wiederaufgebaut wird«, »besser als Monaco« werden. Das muss sich mit der Vertreibung der Bevölkerung nicht ausschließen. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hatte im Februar vorigen Jahres angeregt, Israel solle den Gazastreifen von der palästinensischen Bevölkerung »leeren«, um »das Potential der Wasserfrontgrundstücke freizusetzen«.
Entsprechende Pläne lagen wohl schon vor dem Angriff vom 7. Oktober 2023 in der Schublade. Israelische Medien berichteten am 29. Oktober 2023 über ein ausführliches Memorandum aus dem Geheimdienstministerium, das auf den 13. Oktober datiert worden war und wahrscheinlich längere Vorarbeit erfordert hatte. Das Papier sah die »Umsiedlung« der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens, zwischen zwei und 2,3 Millionen Menschen, auf die ägyptische Sinaihalbinsel vor.
Während Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu damals die Bedeutung des Memorandums herunterzuspielen versuchte, bekannten sich seine faschistischen Koalitionspartner sofort ganz offen zu dem Plan. Am Sonntag lobte Finanzminister Bezalel Smotrich von der Partei Religiöser Zionismus Trumps Bemerkungen als »exzellente Idee«. »Mit Gottes Hilfe werde ich zusammen mit dem Premierminister und dem Kabinett daran arbeiten, einen operativen Plan zu entwickeln, um dies so bald wie möglich umzusetzen.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (28. Januar 2025 um 11:56 Uhr)Trumps Vertreibungspläne zeigen einmal öfter, wie wenig geltendes Völkerrecht im Westen gilt, wenn es gerade nicht passt. Artikel 17 des 2. Zusatzprotokolls zu den Rotkreuzabkommen formuliert das Verbot von Zwangsverlegungen. Das Römische Statut des IGH klassifiziert in den Artikeln 7 und 8 Verteilungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 fordert für jeden Menschen das Recht, in sein Land zurückzukehren. Das scheint alles nicht wichtig zu sein, wenn für Immobilienmogule die Potentiale von Wasserfrontgrundstücken in Gaza winken und der selbsternannte größte Israelfreund sich der Mitwirkung an Gebietszuwächsen für seinen Schützling rühmen möchte. Ob Jordanien nach der Erfahrung des Schwarzen Septembers wirklich gern weitere Palästinenser aufnehmen wird, darf bezweifelt werden, zumal die Wasserressourcen dort mehr als knapp sind. Von Ägypten liegt bereits aus dem Jahr 2018 eine Absage vor: »The Hamas official quoted the Egyptians as saying that Cairo was strongly opposed to the idea of «settling Palestinians in Sinai.»« (https://www.timesofisrael.com/arabs-advising-abbas-to-accept-trump-peace-plan-or-risk-losing-out-report/). Warum auch sollte al-Sisi nach seinem blutigen Putsch gegen den Muslimbruder Mursi sich zwei Millionen der Muslimbruderschaft nahe stehende Hamas-Freunde ins Land holen?! Jordanien wie Ägypten bekommen indes m.W. regelmäßig Finanzhilfen aus den USA, so dass Trump über ein gewisses Erpressungspotential verfügt. Für die betroffenen Palästinenser wird die erneute Vertreibung die von der Nakba gerissenen Wunden weiter frisch halten. Bereits der gnadenlose israelische Krieg hat sein Ziel der Vernichtung der Hamas gründlich verfehlt und statt dessen für für weiteren Hass an der palästinensisch-israelischen Front gesorgt und tiefe Traumata hinterlassen, die einem unbelasteten Nebeneinander von Israelis und Palästinensern im Wege stehen und stehen werden. Schade.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. Januar 2025 um 10:47 Uhr)Der Geschäftsmann Trump versteht von der Geschichte Palästinas etwa so viel wie ein blinder Maulwurf vom Sternenhimmel. Seine Aussagen offenbaren nicht nur eine erschreckende Unwissenheit, sondern auch eine beispiellose Missachtung der jahrzehntelangen historischen und politischen Konflikte in der Region. Während er zu Hause die Grenzen schließt, erwartet er von schwächeren Staaten, Hunderttausende Flüchtlinge aufzunehmen. Es scheint ihm entweder entgangen oder völlig gleichgültig zu sein, dass die Vereinten Nationen längst bindende Entscheidungen getroffen haben, die solche Umsiedlungspläne klar als illegal verurteilen. Diese Ignoranz – oder bewusstes Ignorieren – internationaler Normen untergräbt die Grundprinzipien von Recht und Gerechtigkeit. Wer ernsthaft glaubt, Millionen Menschen aus ihrer Heimat »umsiedeln« zu können, degradiert sie zu bloßen Objekten. Solche Pläne sind nichts anderes als eine moderne Form ethnischer Säuberung – getarnt als politischer Pragmatismus. Sie verletzen grundlegende Menschenrechte und gefährden den ohnehin schon brüchigen Frieden in der Region. Wenn Trump und seine Unterstützer meinen, Geschichte schreiben zu können, sei nur eines gesagt: Geschichte erinnert sich an jene, die Menschenrechte mit Füßen treten – und nicht an jene, die Menschlichkeit aus politischer Berechnung opfern.
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