Bulldozer und Sniper
Von Gerrit HoekmanWährend im Gazastreifen weitgehend die Waffen ruhen, brennt es nun auf der israelisch besetzten Westbank lichterloh. Seit vergangenen Dienstag hat Israel dort seine Angriffe erheblich verschärft. Im Zentrum der Aggression liegen weiterhin die Stadt Dschenin, das dazugehörende Flüchtlingslager sowie Dörfer im Umland. Bislang wurden laut der amtlichen, palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA auf der Westbank mindestens 16 Menschen getötet, darunter am Sonnabend abend ein Mädchen im Alter von zweieinhalb Jahren, wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte.
Das Kind starb durch den Schuss eines israelischen Scharfschützen in den Kopf, als es gerade beim Essen war. Seine schwangere Mutter wurde leicht verletzt. »Wir waren hier beim Abendessen und es gab Schüsse, die Fenster gingen zu Bruch«, berichtete die Großmutter gegenüber dem TV-Sender Al-Dschasira. Die Armee habe zahlreiche Häuser in Brand gesetzt oder mit Bulldozern abgerissen und Strom- und Wasserleitungen zerstört, meldete WAFA. Ferner blockiere sie weiterhin den Zugang zum Regierungskrankenhaus und schaffe militärische Verstärkung nach Dschenin. Die Besatzungsmacht hindere Rettungsteams daran, das Flüchtlingslager zu betreten, um nach unter den Trümmern der Häuser Verschütteten zu suchen.
Über dem Flüchtlingslager in Dschenin drehten israelische Drohnen im Tiefflug ihre Runden, sagten Einwohner gegenüber der stets gut informierten Nachrichtenseite Maan. In mehreren Dörfern im Gouvernement sei es zu Razzien und Belagerungen gekommen, wurde am Sonntag berichtet. Mehrere Personen seien verhaftet worden. Auf der Landstraße von Nablus nach Dschenin hätten Bulldozer einen Kreisverkehr und die Zufahrt zu den Ortschaften Al-Jamun und Al-Saila zerstört. Im Dorf Kabatija sind laut Maan am Sonnabend durch einen Drohnenangriff zwei junge Männer in ihrem Auto getötet worden. In der Nähe von Nablus hinderten israelische Militärs WAFA zufolge einen Krankenwagen, der Verletzte transportierte, an der Weiterfahrt. Die Soldaten beschlagnahmten die Autoschlüssel.
Unterdessen kamen am Sonnabend im Zuge des vereinbarten Gefangenenaustausches zwischen der Hamas und Israel insgesamt 200 palästinensische Gefangene frei. »Heute zwingen wird die kriminelle Besatzung, die Türen ihrer Zellen für unsere heldenhaften Gefangenen zu öffnen«, zitierte Palestine Chronicle aus einem Statement der Hamas. Im Gegenzug hatte die palästinensische Organisation zuvor vier israelische Soldatinnen in Gaza-Stadt an das Rote Kreuz übergeben.
120 der 200 freigelassenen Palästinenser saßen in Israel eine lebenslange Haftstrafe ab. 70 von ihnen wurden unmittelbar über den Grenzübergang Rafah im Gazastreifen nach Ägypten abgeschoben, weil Israel sie für zu gefährlich hält, um in Palästina zu bleiben. Zu ihnen gehört auch der 67 Jahre alte Mohammed Al-Tus, der schon 1985 verhaftet wurde und damit der am längsten inhaftierte palästinensische Gefangene war. Laut der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu gehörte er zu einer Gruppe von aktuell 21 Personen, die bereits vor dem Friedensabkommen von Oslo 1993 inhaftiert wurden. Al-Tus ist Mitglied der auf der Westbank regierenden Fatah des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.
16 Freigelassene brachte das Rote Kreuz in das Europäische Krankenhaus von Khan Junis im Gazastreifen. Die übrigen 114 Palästinenser wurden vom Roten Kreuz in Bussen nach Ramallah transportiert, dem Sitz der Autonomiebehörde auf der Westbank, wo sie von ihren Familien und einer begeisterten Menschenmenge empfangen wurden. Sie trugen immer noch die grauen Gefängnisoveralls und waren deutlich von der teilweise sehr langen Haft unter schwersten Bedingungen gezeichnet.
Einer der prominentesten Entlassenen ist der 42 Jahre alte Mohammed Al-Arida aus Dschenin. Er ist Aktivist des »Islamischen Dschihad«. Unter anderem wurde er wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 2021 erlangte er weltweite Berühmtheit, weil ihm gemeinsam mit fünf Mithäftlingen ein spektakulärer Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis gelang. Mit Löffeln hatten sie einen Tunnel gegraben. Tagelang befanden sie sich auf der Flucht.
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