Frederiksen on Tour
Von Jörg Kronauer
Bei Kurzbesuchen in Berlin, Paris und Brüssel hat sich Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Montag um Rückendeckung im Grönlandkonflikt mit den USA bemüht. Im Hinblick auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, er wolle Grönland den USA einverleiben, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz schon vor seinem Gespräch mit Frederiksen am Dienstag morgen, »die Unverletzlichkeit von Grenzen« sei »ein Grundprinzip des Völkerrechts«; sie müsse »gelten, und zwar für alle«. Scholz hatte sich bereits am 8. Januar in diesem Sinne geäußert. Am Dienstag mittag traf Frederiksen dann zu einem Gespräch mit Präsident Emmanuel Macron in Paris ein. Für den weiteren Tagesverlauf war schließlich noch ein Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel geplant.
Trump, damals noch designierter Präsident, hatte bereits am 22. Dezember erklärt, die Vereinigten Staaten würden unter seiner Präsidentschaft Grönland kaufen. Später hatte er angekündigt, er werde dies mit allen Mitteln durchsetzen, gegebenenfalls auch mit ökonomischem oder mit militärischem Zwang. Bei aller Verunsicherung hatten viele in Kopenhagen wie auch in weiteren europäischen Hauptstädten zunächst spekuliert, bei den Drohungen handle es sich um rüde Verhandlungstaktik im Stil der New Yorker Immobilienmafia, die man freilich nicht allzu wörtlich nehmen müsse. Als Frederiksen aber wenig später ausführlich mit Trump telefonierte, setzte sich schockartig – so berichtete es vergangene Woche die Financial Times – die Erkenntnis durch, der Mann meine es ernst. Von konkreten Drohungen mit Zöllen auf dänische Exporte war die Rede – so konkret offenbar, dass Frederiksen sich schon kurz darauf mit den Vorsitzenden des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk und der Brauerei Carlsberg traf, um Abwehrmaßnahmen zu erörtern.
Frederiksen war ansonsten zunächst bemüht, den Ball in der Öffentlichkeit flach zu halten. Zum einen tut sich Kopenhagen meist als loyaler Parteigänger Washingtons hervor; ein Bruch in den Beziehungen wäre für Dänemark außenpolitisch schmerzhaft. Zum anderen ist es für das EU- und NATO-Mitglied – ebenso wie für die Bündnisse selbst – doch recht peinlich, dass seine territoriale Souveränität nicht von Russland in Frage gestellt wird, sondern von der stärksten Macht im eigenen Block. Das Gerede von der angeblich regelbasierten Ordnung dürfte künftig noch lächerlicher wirken als bereits bisher. Nachdem Trump am Wochenende aber verkündet hatte, sollte Dänemark wirklich nicht auf Grönland verzichten, dann stufe er das als »sehr unfreundlichen Akt« ein, sah Frederiksen sich offenbar veranlasst, wahrnehmbar Unterstützung einzuholen. Am Sonntag abend hatte sie ein Foto von einem Treffen mit ihren Amtskollegen aus Norwegen und Schweden und mit dem Präsidenten Finnlands auf Facebook gepostet und dazu notiert, man habe in den nordischen Ländern im Hinblick auf die Verteidigung »immer zusammengestanden«. Dem folgten am Dienstag die Kurzbesuche in Berlin, Paris und Brüssel.
Bereits am Montag hatte Dänemarks Verteidigungsministerium angekündigt, 14,6 Milliarden Dänische Kronen (knapp zwei Milliarden Euro) in die Aufrüstung seiner arktischen Gebiete – sprich: Grönlands – zu stecken. Der Schritt gilt als Antwort auf Trumps Äußerung, die USA seien zur Wahrung ihrer nationalen Sicherheit auf den Besitz Grönlands angewiesen. Darüber hinaus werden laut einem Bericht der Financial Times Gespräche zwischen der EU und den Regierungen Dänemarks bzw. dessen autonomer Provinz Grönland über den Abbau der grönländischen Rohstoffe geführt. Das solle die Bindungen der Insel an die EU stärken. Das Thema ist nicht unproblematisch. Grönland ist zum 1. Januar 1985 aus der damaligen EG ausgetreten und strebt nun Unabhängigkeit von Dänemark an. Dazu ist es aber auf Einkünfte aus der Rohstofförderung angewiesen. Freilich haben an den seltenen Erden, die in rauen Mengen auf Grönland lagern, auch die USA Interesse. Einfach wird die Lösung des Grönlandkonflikts wohl nicht.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (31. Januar 2025 um 12:56 Uhr)Wenn Scholz auf die »die Unverletzlichkeit von Grenzen« als »Grundprinzip des Völkerrechts« verweist, scheint er mir damit einmal öfter zu unterschlagen, dass diese Unverletzlichkeit keineswegs das einzige Grundprinzip des Völkerrechts ist, sondern das es z. B. auch noch das Recht auf Selbstbestimmung gibt. Ein Gutachten des IGH wertete bekanntlich die verfassungswidrige Sezession des Kosovo von Serbien als mit dem Völkerrecht vereinbar. Im Falle Grönlands wäre eine selbstbestimmte Sezession nicht einmal verfassungswidrig, da es entsprechende Abmachungen mit Dänemark gibt. Trump war mit dem Versprechen angetreten, keine neuen Kriege zu beginnen, sondern Kriege zu beenden. Wenn er nun Gewalt bei der Übernahme Grönlands nicht ausschließen will, so muss man durchaus mit der Möglichkeit rechnen, dass diese angedrohte Gewalt defensiver Natur sein könnte, also einer europäischen Aggression gegen eine völkerrechtskonforme Sezession Grönlands entgegentreten würde. Es gibt ja mit dem Ukraine-Krieg durchaus ein Beispiel für so eine europäische Aggression gegen Sezessionisten. Wer das einmal macht, dem ist es auch ein zweites Mal zuzutrauen. Nicht dass man Trumps erklärten Friedensabsichten so unbedingt trauen sollte. Ein gewisses Vertrauen sollte man aber in die militärische Potenz der USA haben. Wenn die EU in der Ukraine schon nicht so recht gegen Russland ankommt, wie will sie dann einen Zweifrontenkrieg gegen Russland und die USA bewältigen? Die Idee, sich auf Grönland gegen die USA militärisch zu positionieren, ist einfach nur dumm.
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