Rüffel von Rutte
Von Frederic Schnatterer, MadridZu wenig, zu langsam. So ließe sich die Kritik von NATO-Generalsekretär Mark Rutte an den spanischen »Anstrengungen« im Bereich der Kriegsausgaben zusammenfassen. Am Montag abend (nach jW-Redaktionsschluss) trug er die Kritik in Madrid persönlich bei einem Treffen mit Premierminister Pedro Sánchez vor. In einer Stellungnahme, die im Anschluss an die Unterhaltung über die sozialen Medien verbreitet wurde, erklärte Rutte, es sei »dringend notwendig, jetzt mehr zu investieren«. »Spanien spielt für unsere gemeinsame Sicherheit eine wichtige Rolle«, heißt es dort weiter. Andere Themen des Gesprächs seien »unsere Unterstützung für die Ukraine sowie unsere Abschreckung und Verteidigung« gewesen.
Der Sozialdemokrat Sánchez hingegen versuchte zu beschwichtigen. In einer Mitteilung seines Sitzes, La Moncloa, heißt es, die spanische Regierung betone ihre »feste Verpflichtung«, bis 2029 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Kriegsvorbereitung zu stecken. Derzeit steht Spanien mit seinen Rüstungsausgaben, gemessen am BIP, an letzter Stelle der 32 NATO-Staaten mit 1,28 Prozent. Auf einem Gipfel in Wales im Jahr 2014 hatten die Mitgliedstaaten der Kriegsallianz sich darauf geeinigt, mindestens zwei Prozent des BIP für »Verteidigung« auszugeben.
Mit dem zweiten Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump wächst nun der Druck weiter. Auf dem sogenannten Weltwirtschaftsforum in Davos forderte Trump, dass die NATO-Staaten ganze fünf Prozent ihres BIP für die Vorbereitung von Krieg ausgeben sollen. Rutte selbst geht zwar nicht ganz so weit, erklärte jedoch ebenfalls in Davos drei Prozent des BIP zum Ziel. Wer sich weigere, so viel in »Verteidigung« zu stecken, könne ja schon einmal damit beginnen, Russisch zu lernen, so Rutte weiter.
Dass es in Madrid derzeit eher schleppend läuft, hat mehrere Gründe. Einer liegt paradoxerweise in der guten Lage, in der sich Spaniens Wirtschaft befindet. Um mehr als drei Prozent wuchs das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr. Entsprechend mehr müsste die Sánchez-Regierung ausgeben, um auf die angepeilten zwei Prozent Rüstungsausgaben zu kommen. Derzeit beträgt das »Verteidigungsbudget« des Landes knapp 20 Milliarden Euro. Laut aktuellen Berechnungen wären mindestens zehn Milliarden Euro mehr nötig, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.
Hinzu kommt der aktuelle Haushaltsstreit in Spanien. Bisher konnte Sánchez’ Minderheitsregierung aus sozialdemokratischem PSOE und Sumar, dem Bündnis von Arbeitsministerin Yolanda Díaz, keinen Haushalt für die aktuelle Legislaturperiode vorlegen. Ohne einen Staatshaushalt sei eine Erhöhung in der Größenordnung nicht möglich, so Regierungsquellen gegenüber der Tageszeitung El País. Statt dessen bliebe nur die Möglichkeit, die Lücken zu schließen, die durch die Haushaltssperre entstanden sind.
An Willen, das darf festgehalten werden, fehlt es Sánchez jedenfalls nicht. In den vergangenen Jahren hat der Regierungschef wiederholt gezeigt, dass er und seine Koalition voll auf NATO-Kurs sind. Entsprechend betonte Sánchez auch angesichts des Rutte-Besuchs, was er und seine Vorgänger in den vergangenen Jahren alles geleistet hätten. So heißt es in der Moncloa-Mitteilung, dass Spanien seine »Verteidigungsausgaben in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent erhöht hat«. Damit befinde sich das Land an dritter Stelle der NATO-Staaten, die ihre Rüstungsausgaben am stärksten erhöht hätten. Auch absolut gesehen gehöre Spanien »zu den zehn größten Beitragszahlern« der Allianz und sei an »allen wichtigen NATO-Missionen« beteiligt.
Auch die Tageszeitung El País, die traditionell auf seiten der Sozialdemokraten steht, sprang für Sánchez in die Bresche. So rechnete sie vor, das »überzeugendste Argument« sei, dass Spanien netto einen wichtigen Beitrag zur »Sicherheit« leiste. So stünden rund 70 Prozent der insgesamt mehr als 3.500 im Ausland eingesetzten spanischen Soldaten unter NATO-Flagge, 1.500 von ihnen allein im Baltikum, in der Slowakei und in Rumänien. Außerdem habe Madrid der Ukraine Waffen im Wert von einer Milliarde Euro geliefert und mit Kiew die Ausbildung von rund 6.500 ukrainischen Soldaten verabredet.
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