Dschihadist im Präsidentenpalast
Von Nick Brauns
Knapp zwei Monate nach dem Sturz von Präsident Baschar Al-Assad in Syrien hat sich der frühere Al-Qaida-Führer Mohammed Al-Jolani unter seinem bürgerlichen Namen Ahmed Al-Scharaa von seinen Gefolgsleuten zum Präsidenten »für eine Übergangsphase« ausrufen lassen. Dieser Schritt erfolgte auf einer »Konferenz zur Verkündung des Sieges der syrischen Revolution des syrischen Volkes« am Mittwoch in Damaskus. Teilnehmer waren ausschließlich Männer, neben Ministern der von der Dschihadistenallianz HTS gebildeten Übergangsregierung die Führer der verschiedenen islamistischen Milizen.
Auch berüchtigte Kriegsverbrecher wie der Chef der Ahrar-Al-Scharqiya-Miliz, Abu Hatem Shaqra, traten auf. Der Warlord wird bislang von den USA wegen Menschenhandels mit jesidischen Frauen und Kindern sowie Ermordung der kurdischen Politikerin Hevrin Khalaf auf einer Sanktionsliste geführt. Doch auch auf Al-Scharaa hatte Washington bis vor kurzem ein Kopfgeld von zehn Millionen US-Dollar ausgesetzt.
Die Verfassung von 2012 wurde außer Kraft gesetzt. Al-Scharaa wurde mit der Bildung eines »gesetzgebenden Übergangsrats« beauftragt, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet ist, wie Militärsprecher Hassan Abdel Ghani gegenüber der Nachrichtenagentur SANA angab. Ein Zeitplan dafür wurde nicht genannt.
Die Baath-Partei, die Syrien mehr als 60 Jahren beherrscht hatte, sowie alle mit ihr in der Nationalen Fortschrittsfront verbundenen Vereinigungen, darunter mehrere kommunistische Parteien, wurden verboten. Die faktisch bereits zerfallene Syrisch-Arabische Armee wurde ebenso für aufgelöst erklärt wie die gegen Assad kämpfenden Milizen einschließlich der HTS. Diese sollen in neue nationale Streitkräfte integriert werden.
Die Siegeskonferenz wurde nicht im Fernsehen übertragen. Statt dessen erfuhren die Syrer über soziale Medien wie Telegram und X, dass sie nun einen neuen Präsidenten haben. In der Stadt Homs wurde Al-Scharaas Ernennung von einer Menschenmenge mit wildem Gewehrfeuer in die Luft und Sprechchören wie »Homs gehört den Sunniten, Alawiten raus!« gefeiert, wie auf Videos zu sehen ist. Deutlich wird: An die Stelle eines säkularen Polizeistaates ist in Syrien ein islamistisches Regime unter einem Diktator Al-Scharaa getreten.
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