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Aus: Ausgabe vom 31.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Armut in Großbritannien

14 Millionen Briten sind arm

In Großbritannien wächst das Elend langsam, aber sicher. Gegenmaßnahmen von Labour unzureichend
Von Dieter Reinisch
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»Besteuert die Reichen« fordern Demonstranten in London. Gegen Armut würde Umverteilung helfen (30.10.2024)

Die soziale Ungleichheit in Großbritannien (GB) wächst. Das zeigt der am Mittwoch veröffentlichte Armutsbericht der Joseph Rowntree Foundation (JRF). Besonders besorgniserregend ist die Lage in Wales und England, wo die Kinderarmut im vergangenen Jahr stark anstieg. Mit einem Rückgang rechnet JRF trotz des zu erwartenden Wirtschaftswachstums bis 2029 unter der Labour-Regierung nicht.

Der Bericht zeigt auf, dass immer mehr Familien mit arbeitenden Mitgliedern nicht mehr genug Geld zum Leben haben. »Arbeit schützt nicht vor Armut«, lautet ein Fazit. So sei die Hälfte aller Kinder in Familien, in denen mindestens ein Erwachsener erwerbstätig ist, arm. Ein Rückgang der Kinderarmut sei nur in Schottland zu erwarten. Ebenso seien zwei Drittel der armen, arbeitsfähigen Bevölkerung Teil eines Haushalts, in dem mindestens eine Person ein Einkommen hat. Signifikant und dauerhaft zurückgegangen sei die Armut zuletzt vor zwanzig Jahren.

Insgesamt sei 2022/23 jeder fünfte Mensch – im gesamten 14,3 Millionen Menschen – im Vereinigten Königreich arm gewesen. Unter ihnen 8,1 Millionen Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, 4,3 Millionen Kinder und 1,9 Millionen Rentner. Im Vergleich zum JRF-Armutsbericht 2021/22 sei das Bild stabil gewesen, da Durchschnittseinkommen sich seit Pandemieende erholt hätten, während Unterstützungsmaßnahmen eingestellt worden seien. Die Kinderarmut sei leicht gestiegen, die Rentnerarmut leicht gesunken und die Armut unter Erwerbsfähigen gleich geblieben.

Nicht nur quantitativ nimmt Armut zu, sondern auch qualitativ. Die »Armut hat sich verschärft«, lautet ein weiteres Fazit des Berichts. 40 Prozent aller Armen hätten 2022/23 in »sehr extremer Armut, mit einem Einkommen weit unter der normalen Armutsgrenze« gelebt. JRF setzt hierfür Einkommen an, die 57 Prozent unter der Armutsgrenze liegen. Die Lücke zwischen Armutsgrenze und durchschnittlichem Einkommen der ärmsten Haushalte sei in den vergangenen Jahren um fast zwei Drittel angewachsen. Das durchschnittliche Einkommen Armutsbetroffener lag 28 Prozent unter der Armutsgrenze.

Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC, Paul Nowak, bezeichnete diese Armut als »inakzeptabel«. Arbeiter müssten ihre Familien ernähren und ihre Kinder im Winter warm halten, betonte er. Schuld seien die konservativen Tories, die in 14 Jahren Regierung ökonomisches »Chaos und Stagnation« verursacht hätten. Nun müsse der Lebensstandard der Menschen »dringend angehoben werden«, so Nowak. Wichtig sei darum das Labour-Programm »Make Work Pay«.

Doch Nowaks Hoffnung in die neue Regierung könnte verfrüht sein. JRF argumentiert, dass sich die Armut bis 2029 wohl nicht verringern wird. Labour müsste über das Programm hinaus weitere Maßnahmen ergreifen. Dass in Schottland die Kinderarmut sinken wird, verantworten die dort regierenden schottischen Nationalisten. Die liegen in den neuesten schottischen Umfragen auch wieder deutlich vor Labour.

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