Merz läuft auf
Von Kristian Stemmler und Karim NatourAngesichts der Empörung über die erstmals mit der AfD zustande gekommene Mehrheit für die Unionsanträge zur Migration am Mittwoch war die Bundestagssitzung am Freitag mit Spannung erwartet worden. Zur Debatte stand das von der Union eingebrachte »Zustrombegrenzungsgesetz«. Weniger als einen Monat vor den Bundestagswahlen geriet die Debatte zum Politikum. Nach langer Unterbrechung und einer hitzigen Debatte wurde der Gesetzentwurf mit 350 Neinstimmen abgelehnt. 338 Abgeordnete stimmten mit Ja, fünf Abgeordnete enthielten sich.
Der Gesetzentwurf enthielt Maßnahmen zur Eindämmung der Migration. Kern war die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit eingeschränktem Schutzstatus. Außerdem sollten die Befugnisse der Bundespolizei erweitert werden. Darüber hinaus wollte die Union mit dem Gesetz das Ziel einer »Begrenzung« des Zuzugs von Ausländern wieder ins Aufenthaltsgesetz aufnehmen, das die Ampelkoalition gestrichen hatte. In zahlreichen Städten demonstrierten in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen gegen das Vorhaben und die Vorgänge vom Mittwoch. In Hannover kletterten am Freitag Aktivisten auf den Balkon der Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbands. Vor der CDU-Zentrale in Berlin protestierten nach Angaben der Veranstalter der Demonstration rund 10.000 Menschen.
Im Bundestag war zunächst unklar, ob der Entwurf eine Mehrheit bekommen würde. Sowohl in der Unionsfraktion als auch bei der FDP hatte es laut Berichten Abgeordnete gegeben, die eine Wiederholung des Szenarios vom Mittwoch bei der Abstimmung verhindern wollten. Vor diesem Hintergrund verlief die Aussprache chaotisch. Auf Antrag der Unionsfraktion wurde die Sitzung zunächst für eine halbe Stunde unterbrochen. Daraus wurden vier Stunden, in denen sich die Fraktionen berieten. Ein Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine Überweisung des Entwurfs an den Innenausschuss erhielt keine Mehrheit.
Zu Beginn der Aussprache verteidigte Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, den Entwurf. Aus Sicht vieler Menschen gebe es nach den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg eine Notwendigkeit zum Handeln, unter anderem wegen »täglich stattfindender Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu« heraus, sagte der CDU-Chef.
Auf Nachfrage des Grünen-Vorsitzenden Felix Banaszak, ob er ausschließe, sich mit AfD-Stimmen zum Kanzler wählen zu lassen, erklärte er, es sei klar, dass »wir uns von dieser Fraktion hier nicht in eine Mehrheit oder in eine Bundesregierung bringen lassen«. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief Merz dazu auf, den Entwurf nicht zur Abstimmung zu stellen. »Sie müssen die Brandmauer wieder hochziehen.« Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte von Union und FDP, den Gesetzentwurf nicht gemeinsam mit der AfD zu beschließen. Die Abstimmung beider Parteien am Mittwoch mit der AfD habe der Partei den Weg »freigemacht ins Herz unserer Demokratie«. Wolfgang Kubicki (FDP) sprach sich für die Maßnahmen aus und sagte, »der Gesetzentwurf ist richtig«. Zustimmen wollte auch die AfD-Fraktion. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann erklärte, die Union habe die Asylforderungen seiner Partei kopiert. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte SPD und Grüne. Eine »bessere Wahlkampfhilfe als diese hysterische Debatte, die Sie hier inszenieren, hätte sich die AfD überhaupt nicht vorstellen können«.
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