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Aus: Ausgabe vom 03.02.2025, Seite 5 / Inland
Union Busting

Blamage für Drogeriekette

Kölner Landesarbeitsgericht: DM macht Rückzieher – Verhandlung wegen BR-Kündigungsversuch platzt. Erfolg für Unterstützergruppen
Von Jessica Reisner
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Viele Kunden halten das Firmenimage für gut – Belegschaftsvertreter sind da skeptischer (Düsseldorf, 19.4.2023)

Unterstützer und Kollegen hatten mobilisiert – und waren auf eine lange Verhandlung gefasst. Die Drogeriekette DM wollte am vergangenen Freitag vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln die fehlende Zustimmung des Betriebsrats (BR) zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden des Verteilzentrums in Weilerswist bei Köln, Michael Betke, ersetzen lassen. Doch die Drogeriekette zog am Vortag der Verhandlung alle Anträge zurück, berichtete am Sonnabend der Kölner Express. Damit ist dieser Kündigungsversuch vom Tisch, Betke bleibt BR-Chef. Im Verteilzentrum vertritt er mit seinem Gremium die Interessen von mehr als 2.000 Beschäftigten.

Die Drogeriekette gilt vielen Kunden als »besserer Arbeitgeber«. Dabei ist DM nicht einmal tarifgebunden. Die Bezahlung in Anlehnung an den Tarifvertrag erfolgt freiwillig. 28 Jahre lang gab es nach Firmengründung überhaupt keine Betriebsräte. Erst mit der ersten BR-Initiative schwenkte das Unternehmen um und erklärte Belegschaftsvertreter zum erwünschten »Must-have«. Geschäftsführer bei DM setzten dabei bereits früh auf Union Busting (Behinderung von Betriebsratsarbeit) per managementnahen, möglicherweise installierten Betriebsräten.

In Weilerswist hat es DM allerdings mit einem aktiven Betriebsrat zu tun. Was auch der Grund für den offensichtlich unsubstantiierten Kündigungsversuch sein dürfte. Betke setzte mit seinem Team konkrete Verbesserungen für die Kollegen durch. Gehaltsunterschiede bei gleicher Arbeit konnten teilweise angeglichen werden. Ferner wurden Schichtpläne beschäftigtenfreundlicher gestaltet, Zuschläge erhöht, die Urlaubsplanung optimiert.

Um Betke trotz des besonderen Kündigungsschutzes zu feuern, setzte DM auf die juristische Beratung der Kanzlei Gleiss Lutz. Die Großkanzlei hat sich unter Arbeitsrechtlern längst einen Namen gemacht – als Dienstleister für aggressives Vorgehen gegen engagierte Betriebsratsmitglieder und -gründer. Gleiss-Lutz-Anwälte waren etwa beim Union Busting bei den Lieferdiensten Deliveroo und Gorillas, der VR-Bank Ludwigsburg und dem Technologiekonzern Bosch am Start.

Aber auch die Schwergewichte von Gleiss Lutz hatten offensichtlich keine wirklich zündende Idee, wie sich DM des BR-Chefs entledigen könnte. Statt dessen hantierte DM mit gleich sechs, teils nachgeschobenen, Kündigungsgründen. Die Anfangskonstruktion, Betke einen Arbeitszeitbetrug zu unterstellen, schien mutmaßlich selbst den Union Bustern nicht wirklich tragfähig.

Die Blamage vor dem Kölner LAG war erwartbar. Für gewöhnlich hält dies Betriebsratsfeinde aber nicht davon ab, Verfahren durchzuziehen. Denn mittels Dauerverfahren sollen aktive Betriebsräte zermürbt und zur Aufgabe bewogen werden. Und dabei ist es auch ganz gleich, dass arbeitsrechtliche Konstruktionen, um aktive BR-Mitglieder aus dem Betrieb zu entfernen, regelmäßig vor Gericht in sich zusammenfallen.

Dass der Drogeriekonzern letztlich am Vortag der Verhandlung alle Anträge zurückzog, dürfte der Skandalisierung des Falls durch Unterstützergruppen geschuldet sein. Ein möglicher Imageschaden lässt offenkundig auch Großketten wie DM nicht kalt. Dieser Erfolg zeigt, wie wichtig es ist, Angriffe von Unternehmen auf demokratisch gewählte Betriebsräte öffentlich zu machen und Solidarität zu organisieren.

Ob DM von künftigen Schikanen gegen Betke und weitere engagierte Betriebsräte absehen wird, bleibt abzuwarten. Aggressive Unternehmensführungen neigen eher zum Nachtreten. Misstrauisch macht auch der zunehmende Einsatz von Leiharbeitern im Weilerswister Lager, derzeit sollen es rund 170 sein. Darüber berichtete Betke jüngst im Interview mit der »Aktion gegen Arbeitsunrecht«. Bemerkenswert sei hierbei die oft sehr kurze Einsatzzeit der Leiharbeiter. Bis ein Arbeitsgericht im Einzelfall über die Mitbestimmungspflicht entscheide, sei das Leiharbeitsverhältnis längst beendet.

Fazit: Auch wenn der Drogerieriese samt »Rechtsdienstleister« von Gleiss Lutz im »Betke-Fall« noch die Kurve bekommen hat, sollten Kollegen und interessierte Öffentlichkeit wachsam bleiben. Denn längst ist beim »besseren Arbeitgeber« DM erkennbar: Der einstige anthroposophische Lack von Unternehmensgründer Götz Werner blättert ab.

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