Ein Zeichen auf der Hand
Von Irmtraud Gutschke
Zunächst waren es nur Spuren von Krallen und Zähnen, ihr unabsichtlich von einer Katze beigebracht, die sich gegen die Angriffe eines Hundes verteidigte. Dann schwoll die Hand an, und es hätte gefährlich werden können. Der Hund heißt »Bonnie«. Wir kennen ihn aus dem Buch »Bonnie Propeller« von Monika Maron. Die Schriftstellerin verhehlt es nicht: Was sie in dieser kleinen Erzählung beschrieben hat, ist wirklich so geschehen.
An einem Ostersonntag hatte die Katze halbtot auf der Dorfstraße gelegen. Mit ihrem Sohn Jonas schritt die Autorin zur Rettungsaktion. Und die bereute sie nicht, trotz allem, was ihr dann widerfuhr. Ungemach und Schmerzen, die Hand bis zur Unkenntlichkeit geschwollen, musste mehrmals operiert werden. Das erste Mal schon in Budapest, wo sie zu einer Veranstaltung eingeladen war und eigentlich auch die Stadt genießen wollte. Sie war von Antibiotika und Schmerzmitteln betäubt und traf mitfühlende Menschen. Das alles offenbart sie in lakonischen Sätzen.
Aber da ist immer noch etwas im Hintergrund, etwas, worüber sie nachdenkt und worüber sie auch uns nachdenken lässt. Nur sanft angedeutet. Die Erzählung wird nicht zum Essay, und doch ist ihr ganzes Leben darin. Auch ihre Suche nach Sinn, die sie einem beim Lesen überhaupt nicht aufdrängt. Nur wer sie kennt, wird sie erfassen.
Ein Zeichen auf der Hand – weil irgendwann Schlimmeres zu erwarten ist? Mit 83 denkt man doch mitunter daran. Wie damit umgehen? »In meiner Kindheit habe ich viele Bücher über Widerstandskämpfer und sowjetische Neulanderoberer gelesen, ›Wie der Stahl gehärtet wurde‹, ›Das Mädchen Gulja‹, ›Der Mut‹, deren Helden niemals aufgaben, die verwundet, fiebernd und unter Lebensgefahr ihren Auftrag erfüllten.« Unerwartet für mich, dass sie das überhaupt nicht abwertend sagt. Der Ekel, mit dem sie einst auf die DDR schaute, scheint verschwunden. Nenn’s Altersweisheit: Alles im Leben ist zu integrieren.
Eine Freundin hatte gemeint, das Erlebnis habe sie friedfertiger gemacht. »Aber sie irrt sich, ich streite mich schon länger nicht mehr.« Soll man sich jetzt noch daran erinnern, in welchen Kontroversen sich die Autorin befand, als der S.-Fischer-Verlag ihr wegen politischer Differenzen 2020 die 40jährige Zusammenarbeit aufkündigte? Welchen Schmerz das verursacht hat? Und recht hat sie: »Über die üblichen Streitthemen Migration, Corona, Gender, die ganze Links-und-rechts-Front eben, ist alles gesagt, jeder kennt die Argumente des anderen auswendig.«
Ja, recht hat sie: Zerstreiten wir uns nicht. Schützen wir unser Miteinander, machen wir andere Menschen nicht zu Feinden, nur weil sie zu anderen Meinungen gekommen sind, die sich auch wieder ändern können. Ich bin Monika Maron dankbar für dieses Buch.
Monika Maron: Die Katze. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2024, 55 Seiten, 16 Euro
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