Trumps stille Amerikaner
Von Reinhard LauterbachIn Russland hat man den 90tägigen Finanzierungsstopp, den Donald Trump über die »Entwicklungsorganisation« USAID verhängt hat, mit einiger Sympathie registriert. Aus gutem Grund. Was USAID in seinen Zielländern seit einem guten halben Jahrhundert organisiert, ist »Hilfe«, die so harmlos aussieht, dass man diese Harmlosigkeit einer Organisation, die seit jeher direkt dem US-Außenministerium untersteht, sowieso nicht ernsthaft unterstellen sollte: Frauen- und LGBT-Rechte, Stimmungsmache gegen Korruption sowie die Organisation einer im Sinne der weltweiten kulturellen Hegemonie Washingtons wirkenden Öffentlichkeit. »Still« wie jener nützliche Idiot mit den hochherzigsten Absichten, den Graham Greene zum Titelhelden seines Anfang der 1950er Jahre im damaligen Französisch-Indochina spielenden Romans »Der stille Amerikaner« machte, sind sie längst nicht mehr.
Wie eine aktuelle und aus diesem Milieu stammende Studie über die Rolle von US-Zuschüssen für den Betrieb ukrainischer Medien deutlich gemacht hat, sind 35 Prozent der ukrainischen »zivilgesellschaftlichen« Portale zu mindestens 75 Prozent von Geld aus Washington abhängig, weitere 16 Prozent zu 50 bis 75 Prozent. Man kann die Tätigkeit der Organisation ein Programm zur Kolonisierung fremder Öffentlichkeiten nennen. USAID hat es auf diesem Gebiet zu einer auch von Russland unter der Hand widerwillig anerkannten Meisterschaft gebracht. Und in manchen Moskauer Studierstuben ist man offenbar ernsthaft besorgt, ob sich das etwa in der Ukraine noch aufholen lässt.
Warum also stoppt Trump ein Programm, das so gut im Interesse der US-Hegemonie funktioniert? Die eine Antwort, die man in US-Medien lesen kann, ist: Er stoppt es ja gar nicht, er will es nur auf Linie bringen. Was zuviel »Gedöns« transportiert, etwa Klimaschutz oder LGBT-Rechte, kann weg, die Korruptionsanprangerung muss neu fokussiert werden, damit sie die Richtigen trifft und den aktuell Herrschenden in Washington und den Zielländern nicht auf die Füße tritt. Das sollte sich machen lassen; die lautstarken Amerikaner werden wieder etwas stiller werden, und in den einschlägigen Sojamilchcafés zwischen Kiew und Caracas dürfte es ruhiger werden. So what.
Ein anderer Aspekt ist, dass die Umstellung der US-Außenpolitik auf rabiatere und unmittelbare Methoden tatsächlich etliche Aspekte der »Soft Power« überflüssig macht. Zwei Millionen Palästinenser zum Verlassen ihrer Heimat zu nötigen bedarf keiner zivilgesellschaftlichen Bespaßung, sondern des Wortes »Raus!« auf fließend arabisch. Dass die Vertriebenen die USA hassen werden, nimmt Trump erkennbar in Kauf. Erst wenn sein Programm der »völkischen Flurbereinigung« im Nahen Osten an seine inneren Grenzen gekommen sein wird, wird Trump merken, was er leichten Herzens abgewickelt hat. Möge es dann zu spät und der Ruf der USA nachhaltig ruiniert sein.
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