Dein roter Faden in wirren Zeiten
Gegründet 1947 Freitag, 14. März 2025, Nr. 62
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Dein roter Faden in wirren Zeiten Dein roter Faden in wirren Zeiten
Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 07.02.2025, Seite 8 / Ansichten

Trumps stille Amerikaner

Finanzierungsstopp für USAID
Von Reinhard Lauterbach
Russia_Ukraine_War_84898750.jpg

In Russland hat man den 90tägigen Finanzierungsstopp, den Donald Trump über die »Entwicklungsorganisation« USAID verhängt hat, mit einiger Sympathie registriert. Aus gutem Grund. Was USAID in seinen Zielländern seit einem guten halben Jahrhundert organisiert, ist »Hilfe«, die so harmlos aussieht, dass man diese Harmlosigkeit einer Organisation, die seit jeher direkt dem US-Außenministerium untersteht, sowieso nicht ernsthaft unterstellen sollte: Frauen- und LGBT-Rechte, Stimmungsmache gegen Korruption sowie die Organisation einer im Sinne der weltweiten kulturellen Hegemonie Washingtons wirkenden Öffentlichkeit. »Still« wie jener nützliche Idiot mit den hochherzigsten Absichten, den Graham Greene zum Titelhelden seines Anfang der 1950er Jahre im damaligen Französisch-Indochina spielenden Romans »Der stille Amerikaner« machte, sind sie längst nicht mehr.

Wie eine aktuelle und aus diesem Milieu stammende Studie über die Rolle von US-Zuschüssen für den Betrieb ukrainischer Medien deutlich gemacht hat, sind 35 Prozent der ukrainischen »zivilgesellschaftlichen« Portale zu mindestens 75 Prozent von Geld aus Washington abhängig, weitere 16 Prozent zu 50 bis 75 Prozent. Man kann die Tätigkeit der Organisation ein Programm zur Kolonisierung fremder Öffentlichkeiten nennen. USAID hat es auf diesem Gebiet zu einer auch von Russland unter der Hand widerwillig anerkannten Meisterschaft gebracht. Und in manchen Moskauer Studierstuben ist man offenbar ernsthaft besorgt, ob sich das etwa in der Ukraine noch aufholen lässt.

Warum also stoppt Trump ein Programm, das so gut im Interesse der US-Hegemonie funktioniert? Die eine Antwort, die man in US-Medien lesen kann, ist: Er stoppt es ja gar nicht, er will es nur auf Linie bringen. Was zuviel »Gedöns« transportiert, etwa Klimaschutz oder LGBT-Rechte, kann weg, die Korruptionsanprangerung muss neu fokussiert werden, damit sie die Richtigen trifft und den aktuell Herrschenden in Washington und den Zielländern nicht auf die Füße tritt. Das sollte sich machen lassen; die lautstarken Amerikaner werden wieder etwas stiller werden, und in den einschlägigen Sojamilchcafés zwischen Kiew und Caracas dürfte es ruhiger werden. So what.

Ein anderer Aspekt ist, dass die Umstellung der US-Außenpolitik auf rabiatere und unmittelbare Methoden tatsächlich etliche Aspekte der »Soft Power« überflüssig macht. Zwei Millionen Palästinenser zum Verlassen ihrer Heimat zu nötigen bedarf keiner zivilgesellschaftlichen Bespaßung, sondern des Wortes »Raus!« auf fließend arabisch. Dass die Vertriebenen die USA hassen werden, nimmt Trump erkennbar in Kauf. Erst wenn sein Programm der »völkischen Flurbereinigung« im Nahen Osten an seine inneren Grenzen gekommen sein wird, wird Trump merken, was er leichten Herzens abgewickelt hat. Möge es dann zu spät und der Ruf der USA nachhaltig ruiniert sein.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (7. Februar 2025 um 10:45 Uhr)
    Es ist außerordentlich interessant, dass man in den deutschen Mainstreammedien so überhaupt nichts von den Verflechtungen US-amerikanischer Entwicklungshilfe mit geheimdienstlichen Aufgaben zu wissen meint. Die Spatzen pfeifen es seit Jahrzehnten vom Dach, aber unsere »Qualitätsmedien« wissen von nichts. Immer schön konsequent bleiben – bei vielen anderen Vorgängen in der Welt haben sie ja ebenso von Tuten und Blasen keine Ahnung.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (7. Februar 2025 um 10:19 Uhr)
    Der laute Amerikaner Donald Trump legt die stille Entwicklungshilfe USAID auf Eis – und wird dabei unmissverständlich. In Moskau knallen die Sektkorken, in Washington zuckt man mit den Schultern. Denn wer glaubt, dass hier die sanfte Durchsetzung US-amerikanischer Interessen verschwindet, hat die Spielregeln nicht verstanden. Wirtschaftlich ist das USAID-Modell ein Lehrstück in Währungsimperialismus: Drucke Dollars, verteile sie gezielt, kontrolliere die Narrative. Wer zahlt, bestimmt die Musik – oder in diesem Fall die Schlagzeilen. Die lokalen Profiteure reiben sich die Hände, während die betroffenen Staaten feststellen, dass ihre Souveränität mit jedem »geschenkten« Dollar ein Stück weiter schwindet. Trump hingegen hält sich nicht mit Soft Power auf. Warum subtiles Flüstern, wenn ein lautes »Raus!« effektiver ist? Die Rechnung für diesen Rabaukenstil wird die USA langfristig teuer zu stehen kommen – aber das ist nicht sein Problem. Denn wer nur in Deals denkt, für den ist Diplomatie längst ein Auslaufmodell.

Ähnliche:

  • »Drill, baby, drill!« war ein Slogan aus Trumps Wahlkampagne: Öl...
    28.01.2025

    »Big Oil« nicht begeistert

    Trump drängt Saudi-Arabien, Erdölproduktion zu steigern. Ziel ist Preissenkung. Riad erteilt Abfuhr
  • Auch die deutsche Militärführung durfte in Ramstein Zweckoptimis...
    10.01.2025

    Neu justiert

    Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein
  • Trump und Selenskij in Paris (7.12.2024)
    19.12.2024

    Wettlauf

    Krise westlicher Ukraine-Politik

Mehr aus: Ansichten