Trübe Zahlen für den »Ex«
Von Klaus FischerDie Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) stimmt der amtierenden Bundesregierung zu: Auch 2025 wird die BRD-Wirtschaft weiter schrumpfen. Im Gegensatz zum Scholz-Habeck-Rumpfkabinett (minus 0,3 Prozent) rechnen die Kapitallobbyisten sogar mit einem Rückgang des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP; Wirtschaftsleistung) um einen halben Prozentpunkt. Klingt nicht nach viel, sind aber etwa 20 Milliarden Euro, die Ende 2025 fehlen dürften.
Am Donnerstag hatte die DIHK vorab dem Handelsblatt mitgeteilt, wie trüb man dort die Lage sieht. »Ich habe so eine schlechte Stimmung und so schlechte Zahlen noch nie gesehen«, wird die neue DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov zitiert. Es ist davon auszugehen, dass auch die weiteren schlechten Nachrichten bei der Kammer bereits bekannt waren. Denn die Prognose basiert nicht nur auf Stimmung, sondern auf den materiellen Fakten, die Kapitaleignern und Managern die Laune verderben.
Eines der Faktenpakete bezieht sich auf die Industrieproduktion. Die ist im Dezember erneut gesunken. Preisbereinigt schrumpfte der Ausstoß des produzierenden Gewerbes im Vergleich zum November um 2,4 Prozent, hieß es am Freitag vom Statistischen Bundesamt. Dies sei der niedrigste Stand seit Mai 2020. Über das gesamte Jahr 2024 sank die Produktion im Jahresvergleich sogar um 4,5 Prozent. »Die negative Entwicklung der Produktion im Dezember 2024 ist insbesondere auf den Rückgang in der Automobilindustrie (minus 10,0 Prozent) zurückzuführen«, hieß es von den Statistikern.
Von besonderer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort »D« war jahrzehntelang der Außenhandel. Die Bundesrepublik galt als die Nation mit den höchsten Ausfuhren weltweit und als »Exportweltmeister«. Von diesem Titel ist aktuell nur noch die Silbe »Ex« übrig. Ja, 2024 wurde erneut eine beeindruckende Warenmenge weltweit verkauft. Gesamtwert 1.559,7 Milliarden Euro. Das Problem: Die Ausfuhren sind um 1,0 Prozent gegenüber 2023 zurückgegangen. Stärker noch traf es die Importe. Die brachen im Jahresvergleich sogar um 2,8 Prozent ein. Letzteres dürfte vor allem auf die inflationäre Entwicklung und die Kostensteigerungen im Land zurückzuführen sein.
Die BRD hat ihren Platz in der Weltwirtschaft einer Industrie zu verdanken, die weit über den eigenen Bedarf hinaus produziert. Diese Waren waren konkurrenzfähig, auf hohem technologischen Niveau, besaßen (und besitzen) einen herausragenden Gebrauchswert und konnten kostengünstig produziert werden. Dies war nicht zuletzt deshalb möglich, weil Energie und Rohstoffe relativ preiswert eingekauft werden konnten und ein großer Teil der Vorproduktion anderswo hergestellt wurde. Diese Voraussetzungen existieren so nicht mehr.
Weil die Realität schmerzt, flüchten sich Behörden und Lobbyisten gern in Erzählungen. So kommen die Amtsstatistiker in Wiesbaden zu dem Schluss, dass »die aggressive Industriepolitik Chinas« der Exportwirtschaft ebenso zusetze »wie – nach vorn geblickt – die Tatsache, dass US-Präsident Donald Trump seine Drohungen wahr macht und Einfuhren in den wichtigen US-Markt mit Zöllen erschwert«. Keine Erzählung ist: Die Außenhandelsstrategie Deutschlands war zu keinem Zeitpunkt weniger aggressiv. Allerdings steht hinter beiden Konkurrenten ein mächtiger und durchsetzungsstarker Staat, der dieser Aggressivität Plan und Rückhalt gibt.
Imperialismus manifestiert sich nicht nur politisch, sondern vor allem ökonomisch. Und während die BRD das Weltklima retten will, mit Russland auf Kriegsfuß steht, China als Feind betrachtet und die eigene Bevölkerung mit Inflation, Wohnungsnot, Arbeitsplatzverlusten oder einem erodierenden Sozialsystem beglückt, setzen viele Konkurrenten schlicht ihre Interessen durch. Was hierzulande gern vergessen wird: Die Welt ist kapitalistisch. Fehler fordern ihren Preis. Und den bezahlen selten die Politiker.
Immerhin hatte das Statistische Bundesamt auch eine Überraschung parat: Trotz intensiven politischen Gegenwinds und hoher Preise ist der BRD-Fleischkonsum 2024 überraschend um 1,4 Prozent gestiegen, hieß es. Das erste Plus nach sieben Jahresrückgängen in Folge.
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