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Aus: Ausgabe vom 11.02.2025, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Bücher konfisziert

Brief aus Jerusalem:Polizei verhaftet Buchhändler wegen Verkaufs von Literatur zu Palästina. Vorwurf lautet »Störung der öffentlichen Ordnung«
Von Helga Baumgarten
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Der »Educational Bookshop« musste am Montag geschlossen bleiben (Ostjerusalem, 10.2.2025)

Am späten Sonntag stürmte die Jerusalemer Polizei den »Educational Bookshop« in Ostjerusalem. Jeder Bibliophile, ob aus Ost- oder aus Westjerusalem, besucht diesen Buchladen regelmäßig, mich eingeschlossen. Früher, als das noch möglich war, kamen natürlich auch Palästinenser aus der Westbank. Alle kennen die Muna-Brüder, die Gründer und Eigentümer des Buchladens.

Der Schock war riesengroß: Die Polizei verwüstet einen Buchladen und verhaftet Mahmud, einen der Muna-Brüder, und seinen Neffen Ahmed. Weshalb? Die englischsprachige Ausgabe von Haaretz meldete am späten Montag morgen, dass die Anklage zunächst mit Aufhetzung (Incitement) begründet worden war. Das ließ man dann wohl schnell fallen und änderte in »Störung der öffentlichen Ordnung«. So weit ist das israelische Regime inzwischen gekommen: Bücher stören die öffentliche Ordnung!

Die Polizei hatte wohl schon Tage zuvor einen Durchsuchungsbefehl erhalten. Am Sonntag war es dann soweit. Mahmuds Bruder Murad berichtete der Zeitung, wie die Polizei dabei vorgegangen war. Die Beamten fotografierten die Bücher, um mit Hilfe des »Google-Übersetzers« den Titel des Buches zu verstehen. Alle Titel, die ihnen nicht in den Kram passten, wurden konfisziert, speziell die, auf deren Umschlagbild eine palästinensische Fahne zu sehen war. Der Gipfel: Im Buchladen lag eine Ausgabe von Haaretz mit den Bildern der am Sonnabend von der Hamas freigelassenen israelischen Geiseln. Auch das sei Aufhetzung, meinte die Polizei laut Angaben Murads. Bis auf zehn Bände wurden demnach alle Bücher von den Polizisten zurückgegeben.

Die Muna-Brüder betreiben ihren Buchladen auf der Salah-Al-Din-Straße in Ostjerusalem, direkt neben dem französischen Kulturzentrum, mit dem sie oft gemeinsam Lesungen organisieren. Speziell im Sommer kommen viele Gäste, da die Lesungen dann im Garten des Zentrums abgehalten werden. Der zweite Muna-Buchladen ist der »American Colony Bookshop« direkt gegenüber dem »American Colony Hotel«. Auch dort werden regelmäßig im Pascha-Saal des Hotels Lesungen organisiert. Buchliebhaber kommen sowohl aus West- als auch aus Ostjerusalem, und der Saal ist fast immer voll mit mehr als hundert Zuhörern. Anschließend gibt es längere Fragerunden und Diskussionen, und zum Abschluss können Bücher gekauft werden, die die Autoren dann signieren.

Der erste Laden der Muna-Brüder war ein Schreibwarengeschäft, das nach wie vor existiert und in dem nicht zuletzt alle internationalen Organisationen ihren Bedarf decken. Imad, der älteste Bruder, begann einige Bücher zum Verkauf anzubieten. Das Interesse war sehr groß, und schließlich musste das Buchgeschäft in den Laden ausgelagert werden, der fast direkt gegenüberliegt. Angeboten werden vor allem englischsprachige Bücher zum Palästina-Konflikt. Aber auch Romane und Gedichtbände sind zu kaufen. Im obersten Stockwerk befinden sich Bücher zum Beispiel in französischer und deutscher Sprache. Schließlich gibt es eine relativ kleine Auswahl von Büchern in arabischer Sprache. Oben kann der Buchliebhaber auch einen Kaffee trinken oder, wenn das Wetter schön ist, draußen vor dem Buchladen.

Dies ist der 26. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten, emeritierter Professorin für Politik der Universität Birzeit

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. Februar 2025 um 10:27 Uhr)
    Razzia im Buchladen: An der Sala-Ad-Din-Straße gibt es zwei Filialen des Educational Bookshop – eine für Bücher in arabischer und eine für Werke in englischer Sprache. Letztere wird oft von Journalisten, Diplomaten und Touristen besucht. Die Buchhandlung ist auf Literatur zur Geschichte Israels, Palästinas und aktuelle Werke zum Nahostkonflikt spezialisiert. Mit richterlicher Genehmigung führte die israelische Polizei eine Razzia in den beiden Buchläden durch. Den Inhabern wird vorgeworfen, die öffentliche Ordnung gestört zu haben. Das Gericht verlängerte ihre Haft um einen Tag, gefolgt von fünf Tagen Hausarrest. Doch was kommt als Nächstes? Werden bald arabische Bücher verbrannt? Die Geschichte hat uns gelehrt, wohin solche Maßnahmen führen können.

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