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Aus: Ausgabe vom 08.02.2025, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Leben in finsteren Zeiten

Brief aus Jerusalem: Mit ethnischen Säuberungen und Völkermord auf dem Weg zum offenen Faschismus
Von Helga Baumgarten
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Es war einmal der Traum von der Riviera: Das von Israel zerstörte »Grand Palace Hotel« in Gaza-Stadt (6.2.2025)

Die Sorge um die Zukunft greift um sich: Was werden die Mächtigen der Welt noch beschließen für die Palästinenser? Die Bilder aus Washington mit dem Originalton sind unfassbar: ein Präsident, der mehreren Prozessen nur entgangen ist, weil er die Wahl gewonnen hat, ein Premierminister aus Israel, gegen den mehrere Prozesse laufen und gegen den ein Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof ausgestellt ist – auf schlimmstem Stammtischniveau proklamieren sie Verbrechen gegen die Menschheit, ohne mit der Wimper zu zucken. Der eine verkündet seine Pläne, gestützt auf die militärische und ökonomische Macht der USA, der andere kann seine Begeisterung nicht verhehlen.

Fast noch schlimmer die Reaktion in Israel: Das gesamte politische Spektrum inklusive der Gesellschaft ist begeistert, zuerst und vor allem die extreme Rechte. Aber die sogenannte Opposition steht nicht auf gegen diesen Wahnsinn, wenn ein Projekt der ethnischen Säuberung von knapp zweieinhalb Millionen Menschen vom mächtigsten Staat der Welt vorgestellt und vom eigenen Premier strahlend aufgenommen wird, auch wenn es ein klarer Verstoß gegen geltendes internationales Recht ist.

Aus Europa kommen erste Verurteilungen. Aber wie schon seit Oktober 2023, eigentlich schon seit dem Junikrieg 1967 und der Besetzung der palästinensischen Gebiete Westbank und Gazastreifen, sind das verbale Äußerungen. Taten folgen sicher auch jetzt nicht. Die arabische Welt, allen voran Ägypten und Jordanien – dorthin sollen schließlich die Palästinenser aus Gaza vertrieben werden –, kontert mit einem klaren Nein. Der US-Präsident meint, das sei lösbar. König Abdullah aus Jordanien wird im Weißen Haus erwartet, und Trump wird versuchen, einen »Deal« mit ihm zu machen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi ist der nächste auf der Liste.

Die Reaktionen aus Gaza sind einhellig. Auf Electronic Intifada ist am 6. Februar die schönste Antwort auf Trump zu sehen und zu hören: Ein junger Mann aus Deir Al-Balah kann sich vor Lachen über den Schwachsinn aus Washington kaum retten. Er hat nur eines dazu zu sagen: Wir sind hier, wir bleiben hier, und wir haben den Wiederaufbau schon begonnen.

Derweil sehen wir in Ostjerusalem und in der Westbank, wie »Gaza«, also die israelische Zerstörungspolitik seit Oktober 2023, hier angekommen ist mit ethnischer Säuberung und den ersten regelrechten Massakern: Dschenin, Tulkarem, Tubas, Nablus – die Flüchtlingslager dort, die Dörfer im Umkreis dieser Städte. Die Armee greift erbarmungslos an und geht dem in Gaza und im Libanon eingeübten Morden nach: mit Drohnen, mit Hubschraubern, mit Bombern. Bulldozer zerstören alles, was ihnen in den Weg kommt. Menschen werden rücksichtslos erschossen, wenn einem Soldaten danach zumute ist: Kinder, Frauen, alte Männer. Alle sind, wir kennen das aus Gaza und aus dem Libanon, »Terroristen« – oder, falls es Kinder sind, werden sie es bald sein. Also müssen sie beseitigt werden: ein rein defensiver Akt des von allen Seiten bedrohten Israel.

Wie in Gaza macht der Zerstörungsfeldzug, an dem israelische kolonialistische Siedler mit Begeisterung teilnehmen, auch nicht vor religiösen Stätten halt: Gleich außerhalb von Jericho steckten die rassistisch-faschistoiden Siedler eine Moschee in Brand, zusammen mit dem Traktor des Bauern direkt daneben.

Am 19. Januar nannte der Journalist Gideon Levy das, was Israel in Gaza seit Herbst 2023 macht, den ersten faschistischen Krieg Israels. Uri Baram schreibt am 5. Februar in Haaretz vom Faschismus in einem Café. Am Nachbartisch hört er von Männern, die offensichtlich keine Extremisten sind: »Jeder in Gaza muss getötet werden. Jeder einzelne, ohne Unterschied: die Hamas-Mitglieder und die, die genauso sein werden in der Zukunft.« Die Welt ist aus den Fugen geraten. Vernunft, Realismus, Pragmatismus sind nicht mehr zu finden – von moralischen Normen gar nicht zu reden. Hoffnung kommt nur noch aus dem globalen Süden, mit Südafrika in führender Position.

Dies ist der 25. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten, emeritierter Professorin für Politik der Universität Birzeit

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