Tödliche Mission in Pjöngjang
Von Martin Weiser, Seoul
Südkoreas parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Umsturzversuch des suspendierten Präsidenten Yoon Suk Yeol hat in der vergangenen Woche ein überraschendes Detail offenbart: Noh Sang Won, 2016 noch Chef des militärischen Nachrichtendienstes, aber nach seiner unehrenhaften Entlassung 2018 als Schamane unterwegs, soll seinerzeit die Hinrichtung mehrerer Geheimagenten befohlen haben. Deren damaliger Chef Park Min Woo hatte sie ein halbes Jahr lang auf eine Mission in Nordkorea vorbereitet, und für Noh hatte es anscheinend Priorität, dass sie nach Erfolg keinerlei Details ausplaudern könnten und am besten gar nicht erst wieder im Süden ankämen. Das Mittel der Wahl: in die Westen eingenähte, ferngezündete Bomben. Anscheinend wurde die Mission aber nie ausgeführt, und damit wurde dann auch das Meucheln der eigenen Agenten unnötig.
Dass es zu dieser Offenbarung kam, lag an Nohs Notizheft, das der Polizei in die Hände fiel und in dem auch die Details des Umsturzplans vom Dezember festgehalten sind, einschließlich politischer Säuberungen und des Anzettelns einer schweren militärischen Auseinandersetzung mit dem Norden. Während die anderen Putschisten anscheinend auf abhörsichere Handys und ein gutes Gedächtnis setzten, hielt Noh lieber alles handschriftlich fest. Der langjährige Freund Yoons befindet sich derzeit unter dem Vorwurf der Verschwörung zur Ausrufung des Kriegsrechts in Haft. Seine Notizen wirken eher wie das Drehbuch für einen Actionfilm und werden deswegen von Yoon-Anhängern gerne als Phantasie abgetan. Aber Park gab zu Protokoll, das passe sehr zu seinem ehemaligen Vorgesetzten, der sich gerne auf Filme bezog. Als Beispiel brachte er eben die Anekdote mit den zum Tode verurteilten Agenten, die ähnlich filmreif daherkommt. Die südkoreanische Presse berichtete natürlich gerne über den menschenverachtenden Charakter dieser Anweisung, tiefergehendes Interesse an der scheinbar äußerst wichtigen Nordkorea-Mission blieb jedoch aus.
Dabei hätte man zumindest spekulieren können, ob der Nordkorea-Auftrag irgendwie mit den Anschlagsplänen zusammenhängen könnte, die laut Pjöngjang damals der südkoreanische Nachrichtendienst NIS vorbereitete. Das dortige Ministerium für Staatssicherheit entschied sich sogar, diese Anschuldigung am 5. Mai 2017 über die Nachrichtenagentur KCNA der ganzen Welt mitzuteilen. Laut Ministerium hatte der Süden bereits 2014 einen Gastarbeiter in Russland rekrutiert, der nach seiner Rückkehr auf die oberste Führung Anschläge bei Großveranstaltungen verüben sollte. Allein 2016 habe der NIS seinen Maulwurf viermal per eingeschmuggeltem Satellitentelefon kontaktiert. Die geplante Waffe für das Mordkomplott seien radioaktive Substanzen oder »Nanogifte« gewesen, weil sie auch auf Distanz wirken und die tödliche Wirkung erst nach Monaten sichtbar wird.
Alles das klingt sehr wie die Handlung im US-Film »The Interview« von 2014, bei dem Kim Jong Un per Handschlag eine giftige Substanz verabreicht werden sollte, deren Wirkung ebenfalls erst später eintritt. Noh mag von diesem Streifen ebenfalls angetan gewesen sein. Im Film bot sich diese Anschlagsmöglichkeit dank eines Exklusivinterviews mit Nordkoreas Staatschef. In der Realität wäre aber ein großangelegter Giftanschlag während einer Militärparade wahrscheinlicher. Nicht überraschend versuchte der Nachrichtendienst, über seinen Maulwurf gezielt Informationen über solche Großereignisse zu sammeln. Es läge im Bereich des Möglichen, dass das südkoreanische Militär gemeinsam mit dem NIS solche Pläne schmiedete. Aber in Südkorea interessiert man sich weder für diese Frage noch für die Details der dubiosen Nordkorea-Mission.
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