Deindustrialisierte Landschaft
Von Jens Walter
Es ist nur eine Blitzumfrage, die Tendenz indes deutlich: Betriebsräten in der Metall- und Elektroindustrie im IG-Metall-Bezirk Mitte zufolge droht der Verlust von mindestens 14.100 Arbeitsplätzen, teilte der Gewerkschaftsbezirkschef Jörg Köhlinger am Dienstag in Frankfurt am Main mit. Ford und Continental hätten bereits Tausende Stellenstreichungen angekündigt. Die Umfrage unter Belegschaftsvertretern in rund 2.000 Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten hat Anfang des Jahres ergeben, dass allein im Bezirk Mitte 36 Unternehmen weitere Jobs vernichten werden.
Mehr noch, die Ergebnisse zeigen: Das ist erst der Anfang in Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und im Saarland, berichtete am Mittwoch die FAZ. Und von einer schleichenden Deindustrialisierung spricht die regionale IG Metall: »Die Lage ist sehr ernst. Wir stehen am Scheideweg«, mahnte Köhlinger.
Die Gründe laut Metaller: Das Geschäftsmodell der exportorientierten deutschen Wirtschaft sei insgesamt unter Druck geraten. »Eine Abkehr von offenen Märkten großer Volkswirtschaften ist deutlich zu erkennen und die Gefahr eines Handelskrieges wird immer realer.« Hinzu komme die mangelnde Innovationsfähigkeit inländischer Unternehmen. Statt mit Beschäftigten innovative Produkte und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nachhaltige Beschäftigungskonzepte zu entwickeln, würden Firmenbosse nur einen Weg kennen: »Abbau oder Verlagerung von Arbeitsplätzen.« Damit würden sie ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und der Gesellschaft nicht gerecht. Im Gegenteil: Die Geschäftspolitik gefährde die hiesige wirtschaftliche Entwicklung »und damit auch den Sozialstaat«, so Köhlinger weiter.
Was fordert die IG Metall? Zuvorderst öffentliche und private Investitionen, etwa in die marode Infrastruktur. Ferner erschwerten hohe Energiekosten und Netzentgelte die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Das Problem laut Gewerkschaftern: Anstelle zu handeln und wettbewerbsfähige Strukturen zu schaffen, ergingen sich Parlamentarier zu oft in ideologischen Debatten über die Schuldenbremse oder beschimpften Bürgergeldempfänger. Das müsse endlich aufhören, so Köhlinger: »Unser Land braucht in den nächsten zehn Jahren Investitionen von mindestens 60 Milliarden Euro.« Jährlich, wohlgemerkt. Und nicht zuletzt gehe es um ein stärkeres solidarisches Miteinander.
Und wie ist es um die Organisationsmacht der IG Metall Mitte in der Krise bestellt? Nicht gut. Im Saldo ist die Mitgliederzahl gegenüber 2023 um etwa zwei Prozent gesunken.
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