Rettung Fehlanzeige
Von Ralf Wurzbacher
Auf einen Schlag elf Krankenhäuser. Alle pleite und, wenn es schlecht läuft, vielleicht bald schon weg. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Rheinland-Pfalz (RLP) hat für sämtliche seiner Klinikstandorte Insolvenz angemeldet, »aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen und unsicherer gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen«, wie es in einer Mitteilung aus der Vorwoche heißt. Mehr noch: Mit dem Schritt will sich das DRK komplett aus der Versorgung im Land zurückziehen, was die Trägergesellschaft Süd-West auch mit der jüngst beschlossenen Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SDP) begründet. Damit spitze sich die Lage speziell kleiner Häuser weiter zu.
Auf die Beteuerungen der Verantwortlichen, der Betrieb der Einrichtungen sei sichergestellt, will Julia-Christina Stange, RLP-Spitzenkandidatin der Partei Die Linke zur Bundestagswahl, nichts geben. »Wem wollen sie das weismachen? Selbstverständlich verschlechtert jede Schließung die Gesundheitsversorgung«, erklärte sie am Montag in einem Pressestatement. Wie es vor Ort weitergeht, ob sich ein neuer Träger findet oder die Lichter demnächst für immer ausgehen, steht in den Sternen. Insolvenzverfahren haben für gewöhnlich eine Laufzeit von drei Monaten. Danach muss sich zeigen, was von den Strukturen übrig bleibt. Auf dem Spiel stehen die Arbeitsplätze von 4.200 Beschäftigten, die sich jährlich um über 80.000 Patienten gekümmert haben. Viele davon wohnen in ländlichen Regionen, wo Ärzte und Kliniken ohnehin rar sind. Ausgerechnet hier wird das Lauterbachsche »Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz« (KHVVG) die schlimmsten Verwüstungen anrichten.
Die DRK-Trägergesellschaft Süd-West befindet sich schon länger in Schieflage. Nach einem gescheiterten Sanierungskonzept hatte sie bereits Anfang Dezember den Konkursverwalter angerufen, allerdings nur für die Standorte in Kirchen, Altenkirchen, Hachenburg, Neuwied und Alzey. Vor neun Tagen machte man dann kurzen Prozess und zog auch unter die Fachkliniken in Bad Kreuznach, Worms und Bad Neuenahr, das Schmerzzentrum Mainz sowie die Kamillus-Klinik Asbach den Schlussstrich. Das DRK könne das Angebot »nicht länger aufrechterhalten, ohne gleichzeitig die Erfüllung seines humanitären Kernauftrags als Nationale Hilfsgesellschaft zu gefährden«, befand Landespräsident Rainer Kaul. Während gemeinnützige Träger Verluste aus Eigenmitteln finanzieren müssten, würden die meisten kommunalen Kliniken aus Steuermitteln bezuschusst. »Von dieser Geldquelle ist das Deutsche Rote Kreuz abgeschnitten.«
Erst jüngst hat das DRK die bevorstehende Abwicklung einer Klinik in Berlin-Mitte bekanntgegeben. Mit dem avisierten Kahlschlag im Südwesten verschwindet mit einem Mal ein gutes Fünftel aller bundesweit knapp 50 DRK-Spitäler von der Bildfläche. Die Ampelregierung in Mainz unternimmt nichts dagegen. »Es ist nicht die Rolle des Landes, Geld zuzuschießen in Krankenhausstandorte, die insolvent sind«, stellte Gesundheitsstaatssekretärin Nicole Steingaß gegenüber dem Südwestrundfunk (SWR) klar. Das empört Linke-Politikerin Stange. »Politik muss handeln und darf die Probleme nicht weiter wegignorieren«, erklärte sie. »Allen wäre geholfen, wenn die Kommunen die Krankenhäuser übernehmen und damit die flächendeckende Versorgung sicherstellen würden.«
Am Dienstag meldete sich der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VDK) zu Wort: »Die Insolvenz- und Schließungswelle rollt weiter.« Der Verband fordert eine »Brückenfinanzierung«, um insbesondere die in den Jahren 2022 und 2023 entstandenen Defizite auszugleichen. Die Lauterbach-Reform wird erst ab 2026 finanzwirksam, und Kritiker werfen dem Minister vor, die laufende kalte Strukturbereinigung sehenden Auges geschehen zu lassen. Laura Valentukeviciute vom Verein »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB) verweist auf die Verantwortung des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministers, Clemens Hoch (SPD). »Der hat im Bundesrat für das KHVVG gestimmt«, sagte sie am Mittwoch junge Welt. »Jetzt folgt die Hochrechnung. Bezahlen müssen sie die Menschen vor Ort. Hoffentlich nicht mit ihrem Leben.«
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