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Aus: Ausgabe vom 13.02.2025, Seite 8 / Inland
Fördermittel für Integration

»Wir arbeiten aktuell mit kompletter Unklarheit«

Sachsen: »Willkommensinitiativen« droht Aus durch wegfallende Fördermittel der Bundesregierung. Ein Gespräch mit Hans Teuchert
Interview: Yaro Allisat
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Bundesweit drohen zahlreichen Sprach- und Begegnungsprogrammen Kürzungen durch die nächste Bundesregierung (Rödermark, 20.2.2018)

In den vergangenen Wochen hatten Vertreter zahlreicher sogenannter Willkommensinitiativen in und um Dresden die Befürchtung geäußert, dass aufgrund fehlender Fördermittel aus dem Bundesprogramm »Demokratie leben« die Arbeit möglicherweise eingestellt werden muss. Warum fehlt das Geld?

Laut Aussage der zuständigen Stellen bei der Stadt Dresden ist die Förderung wegen fehlender Bundesmittel und weil kein Haushalt der Stadt besteht, vorerst auf Eis gelegt. Demzufolge gibt es eine Haushaltssperre, bis wann genau, ist unklar. Betroffen davon ist das Programm »Integrative Maßnahmen«, von dem wir mit circa 30.000 Euro zur Finanzierung einer Vollzeitstelle gerechnet hatten. Daneben gibt es das »Lokale Handlungsprogramm«, das sich aus Bundesmitteln speist, wo wir mit rund 20.000 Euro gerechnet hatten.

Was folgt daraus für Sie?

In der Konsequenz mussten wir unsere einzige hauptamtliche Mitarbeiterin entlassen, die alle unsere Projekte koordiniert hat. Für die Ehrenamtlichen besteht nun ein erheblich gesteigerter Arbeitsaufwand. Auch unsere Betriebskosten wie Miete, Strom und Versicherungen finanzieren wir aus Fördermitteln. Sollten also dieses Jahr keine kommen, werden wir zum Ende des Jahres unsere Räumlichkeiten nicht mehr halten können.

Was hat Ihnen die Stadt kommuniziert?

Es hieß schon im Dezember, dass erst mal keine Förderung genehmigt werden kann. Auch in den vergangenen Jahren haben wir die Förderzusagen oft erst im zweiten Quartal oder sogar noch später bekommen. Die Kosten laufen jedoch ab Januar bei uns auf. Anders als in den vergangenen Jahren, als uns zumindest ein sogenannter vorzeitiger Maßnahmenbeginn ab Januar erlaubt wurde, ist dieses Jahr alles völlig offen. Wir arbeiten aktuell mit kompletter Unklarheit.

Wie laufen Ihre Projekte aktuell?

Momentan laufen die erst mal weiter. Sowohl unsere Sprachtreffs, wo wir einmal wöchentlich Deutschunterricht und Sprachtrainings anbieten, als auch unsere Computerwerkstatt, unsere wöchentliche Sprechstunde bei Behördenproblemen, unser Sprachtreff für Frauen mit Kindern und die Kinderbetreuung sowie regelmäßige Kennenlernveranstaltungen für unsere Ehrenamtlichen, gemeinsame Wanderungen und die weiteren Veranstaltungen können erst mal weiterlaufen. Wir sind nicht der einzige Verein, der vor Ort solche Angebote schafft, aber auch die anderen könnten von den Mittelkürzungen betroffen sein.

Welche Konsequenzen hätte der Wegfall Ihrer Arbeit für die Stadtgesellschaft?

Es werden Anlaufpunkte fehlen, an denen Migranten Kontakte zur restlichen Gesellschaft knüpfen können. Orte, an denen man Ansprechpartner findet, die einem vielleicht bei Problemen weiterhelfen können. Dieser Kontakt ist wichtig, sowohl für die Menschen, die hierherkommen, als auch für jene, die schon lange hier leben. Beim Ehrenamtstreff im letzten Jahr waren rund 50 Vereine, viele davon sind in der Integrationsarbeit aktiv. Dort kündigte Dresdens Bürgermeister schon an, dass massiv Mittel gestrichen würden. Wenn aber diese Vereinslandschaft ausgedünnt wird, ist das für alle Integrationsbemühungen ein großer Rückschlag.

Wie blicken Sie auf die Bundestagswahl am 23. Februar?

Die politischen Signale sind keine guten. Was mich dabei besonders bewegt, ist, dass von AfD, CDU, FDP und SPD Stimmungen aufgeheizt werden, besonders unter Menschen, die zu Migranten gar nicht viel Kontakt haben. Es werden Ängste geschürt und falsche Behauptungen aufgestellt, zum Beispiel, dass Migranten übermäßig gefördert würden, was in keiner Weise zutrifft.

Wie gehen Sie damit um?

Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen: Viele haben ein Interesse daran, dass wir mit Zuwanderern ein gutes Verhältnis haben. Das merkt man, wenn man hier in Dresden unterwegs ist. Wir bekommen Zuspruch von vielen Leuten, sowohl älteren als auch jüngeren, die sich bei uns engagieren wollen. Man muss sich immer mal wieder vergegenwärtigen, dass es nicht nur die schlechte Seite gibt.

Hans Teuchert ist Mitglied des Vorstandes von »Willkommen in Johannstadt« e. V. und seit 2022 dort aktiv

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