Gleich und doch verschieden
Von Florencia Beloso, Buenos Aires
Der unvermeidliche Vergleich in Argentinien ist Milei – Menem. Carlos Menem war zweimal Präsident, zwischen 1989 und 1999. Er war Peronist, ein charismatischer Mann aus dem Landesinneren (ein Caudillo) und zutiefst neoliberal. Man sagte, dass Argentinien zu dieser Zeit »fleischliche Beziehungen« zu den USA unterhielt, die zunächst von Bush senior und dann von Bill Clinton regiert wurden. Heute wird diese Zeit mit der aktuellen Periode Milei – Trump verglichen.
Für Gabriel Merino gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Ein Forscher des Nationalen Rats für wissenschaftliche und technologische Forschung erläutert im Gespräch mit jW, dass die 1990er Jahre »die globalistische, neoliberale Belle Époque« waren – eine Zeit der vollen Ausweitung der finanziellen Globalisierung. »Heute befinden sich die USA im relativen Niedergang. Wir haben es mit einer Welt zu tun, in der sich ein Machtwechsel vollzieht und in der der Zusammenbruch der US-Hegemonie offensichtlich ist.« Was die konkrete Verbindung zu den USA angeht, so sind für Argentinien »wenig materielle Anreize« zu erwarten, sagt Merino voraus. Das wenige Zuckerbrot werde von Donald Trump – ganz nach dem Credo »America First« – in dünne Scheiben geschnitten.
Javier Milei und Trump teilten eine Affinität für ihre Haare und ihre Gesichter und ähnelten sich in der Weise, wie sie das physische Bild ihrer Körper konstruierten, hebt der Analyst Sebastián Salgado gegenüber jW hervor, obwohl sie politisch sehr unterschiedlich seien. »Trump will, dass die USA die Führung durch die einheimische Industrie zurückgewinnen.« Milei werde sein Bestes tun, um die Slogans »Make America Great Again« und »Making Argentina Great Again« ineinander aufgehen zu lassen, allerdings mit antagonistischen politischen und wirtschaftlichen Projekten. So sei klar, dass Milei nicht auf lokale Produktion setzt. Der »Libertäre«, wie sich der argentinische Präsident selbst nennt, tue das Gegenteil. Er fördere Importe zum Nachteil der lokalen Produktion. So blockierte er die Nutzung von Verarbeitungsanlagen, »die Fleisch nach China exportieren sollten, und Beijing verhandelte seinerseits mit Brasilien. Argentinien und China haben einen sehr großen Handelsmarkt für Soja. Lokale Machtgruppen haben Milei gewarnt und ihn darauf aufmerksam gemacht: ›Hüte dich vor China‹«, so Salgado.
Inwiefern ähneln sich die Ultras noch? »Beide sind gegen die ›Agenda 2030‹: Sie argumentieren, dass Unternehmen über Staaten stehen, dass der Klimawandel nicht existiert, und sowohl Trump als auch Milei streben eine ethnisch-kulturelle Ästhetik an, die der chinesischen entgegengesetzt ist. Was sie nicht tolerieren, ist, dass die erfolgreichste Wirtschaft aus einem Land kommt, das politisch von der Kommunistischen Partei geführt wird.«
Untermauert wird das durch die im vergangenen Oktober geregelte Umsetzung des im April beschlossenen »Anreizsystems für Großinvestitionen« (Régimen de incentivo para grandes inversiones, RIGI). Diese Maßnahme öffnet die Türen für ausländisches Kapital und bietet neben anderen Vorteilen steuerliche und rechtliche Anreize für einen Zeitraum von 30 Jahren. Für Salgado birgt das die Gefahr einer »Balkanisierung« Argentiniens. »RIGI gibt jeder Provinz die Möglichkeit, Vereinbarungen mit multinationalen Unternehmen zu treffen. Ein Bergbauunternehmen kann also politischen Einfluss auf eine Provinzregierung nehmen. Das große Risiko ist der Verlust der territorialen Souveränität. Kein Freihandelsabkommen könnte dies wirtschaftlich rechtfertigen.«
Unterdessen bereitet Milei eine weitere Reise nach Washington vor, die er bereits mit großem Tamtam angekündigt hat. Ende Februar wird er dort am konservativen Gipfel CPAC teilnehmen. Was wird der Trip bringen? Mehr Investitionen, mehr IWF-Kredite oder nur ein Foto mit Trump, der zu »YMCA« der Village People tanzt?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (13. Februar 2025 um 14:03 Uhr)Herzlichen Dank für diesen so informativen und wunderbar geschriebenen Artikel. Einer der besonderen Vorzüge der jW besteht darin, dass man auch etwas über Regionen der Welt zu lesen bekommt, die in der Berichterstattung deutscher Medien fast oder überhaupt nicht vorkommen. Damit vermeiden eure Leser jene Bierdeckelsicht, die uns die offizielle Nachrichtengebung einzuimpfen versucht: Deutschland im Zentrum der Welt, einige Leuchttürme wie die USA kurz vor dem Horizont und dahinter nur noch dräuende Feinde wie China oder Russland. Dann nur noch gähnendes Nichts, nur punktweise erleuchtet von Urlaubszielen, in denen der Euro noch was wert ist und jeder Zwerg sich wie ein König aufführen kann. Haben wir nicht einst voller Inbrunst gesungen, dass diese Welt einmal die unsrige sein wird? Sie zu schätzen und zu lieben – dazu muss man sie kennen. Den Geist auf Entdeckungsfahrt schicken können: Nach Süd- und Mittelamerika, nach Afrika, in den Nahe und den Fernen Osten. Mit der jW geht das erstaunlich gut.
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