EU steigt ins KI-Wettrüsten ein
Von Sebastian Edinger![9.jpg](/img/450/205393.jpg)
»Wir sind wieder im Rennen«, prahlte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Montag abend beim Artificial Intelligence (AI) Action Summit in Paris. Nach dem chinesischen Deep-Seek-Durchbruch und den US-amerikanischen Stargate-Ankündigungen will auch die EU nachlegen: 150 Milliarden Euro an privatem Kapital sollen in den kommenden fünf Jahren in das hiesige KI-Ökosystem gepumpt werden, mehr als 60 Unternehmen sind Teil der präsentierten »EU AI Champions Initiative«. Am Dienstag kündigte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, an, ihre Behörde packe noch mal 50 Milliarden drauf. Der Gipfel verkam so zu einem Wettbieten um die fettesten Investitionsankündigungen, Regulierungsfragen gerieten in den Hintergrund.
Mit von der Partie sind in der Champions-Initiative namhafte Tech-Firmen wie Mistral AI, Eleven Labs und SAP. Konzerne wie Volkswagen, Mercedes-Benz und Airbus mischen ebenfalls mit. Für die nötige Kapitalausstattung sollen Venture-Capital-Firmen wie Wallenberg Investment oder La Famiglia VC sowie die Großbanken BNP Paribas und Deutsche Bank sorgen. Auch große Geldgeber aus den USA sind dabei, etwa General Catalyst oder die Blackstone Group. Die Führungsrolle allerdings beansprucht Macron für Frankreich. Ein erstes Treffen zwischen dem Staatschef und Vertretern der beteiligten Unternehmen hat laut einer Mitteilung der Initiative im Rahmen des KI-Gipfels bereits stattgefunden.
Dem Dokument ist auch zu entnehmen, dass das private Kapital insbesondere in KI-Firmen und eine schnellere Implementierung industrieller Anwendungen fließen soll. Von den EU-Mitteln sind zumindest 20 Milliarden für vier »KI-Gigafabriken« mit großer Rechenkraft vorgesehen – also die Basisinfrastruktur, auf der Anwendungen zur Vermarktung entwickelt werden. Bei der Infrastruktur ist die EU bislang hoffnungslos von den US-amerikanischen Techgiganten abhängig. Hier knüpft auch Macrons Führungsanspruch an: Zusätzlich zur EU-Initiative sollen mehr als 100 Milliarden in den KI-Standort Frankreich fließen. Das Gros des Geldes kommt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, einen entsprechenden Deal hatte Macron im Vorfeld des Gipfels bereits eingetütet.
Eine florierende KI-Wirtschaft in der EU, basierend auf französischer Infrastruktur, so sieht der Plan des Gipfelgastgebers augenscheinlich aus. Seine herausragende Rolle im prunkvollen Grand Palais nutzte er, um leidenschaftlich den eigenen Standort zu bewerben – etwa mit der massenhaften Verfügbarkeit CO2-armer Atomkraft, mit der man große Rechenzentren versorgen könne. »Plug, baby plug«, rief er in Anspielung auf Trumps »drill, baby drill« potentiellen Investoren zu. Auch darüber hinaus scheute Macron den Vergleich mit den USA nicht und betonte, im Verhältnis zur Marktgröße entspräche das Volumen der französischen Investitionspläne Stargate.
Der ebenfalls kurzzeitig anwesende US-Vizepräsident J. D. Vance nutzte allerdings seinen Auftritt, um den globalen Führungsanspruch seines Landes zu untermauern: »Die USA sind die Anführer bei KI, und unsere Regierung will, dass das auch so bleibt«, sagte er. Künstliche Intelligenz aus den USA sei der Goldstandard. Die EU warnte er vor »exzessiver Regulierung« und forderte, die Technologie müsse »frei von ideologischen Vorurteilen bleiben«. Auch die Champions-Initiative fordert Deregulierung: In ihrer Erklärung ist von 100 Techgesetzen die Rede, die man harmonisieren und vereinfachen müsse.
Macron und von der Leyen äußerten sich zurückhaltender, betonten die Wichtigkeit von Regeln ebenso wie die Notwendigkeit ihrer Vereinfachung. Diese Linie spiegelt sich auch in der von 60 Staaten unterstützten Abschlusserklärung wider, in der für eine »ethische« und »nachhaltige« KI-Entwicklung plädiert wird. Thematisiert werden auch die Folgen für den Arbeitsmarkt. Die USA haben die Erklärung, ebenso wie Großbritannien, nicht unterzeichnet. China hingegen unterstützt das Dokument als Schritt zu einem internationalen Regulierungsrahmen. Bereits beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte Vizepremier Ding Xuexiang vor einem »chaotischen Wettbewerb« gewarnt und sich für eine »globale KI-Governance« starkgemacht. Als er beim Summit-Dinner in Paris das Wort ergriff, verließ Vance den Raum.
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