Geringere Anforderungen
Von Kristian Stemmler
Die juristische Nachbereitung des staatlichen Umgangs mit den Protesten gegen die Coronamaßnahmen dauert an. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Donnerstag, ziemlich genau fünf Jahre nach Beginn der Pandemie, Maßnahmen der Berliner Polizei gegen zwei Demonstrationen von Maßnahmengegnern in der Hauptstadt im August 2020 für rechtmäßig erklärt. Michael Ballweg, der als Initiator der »Querdenken«-Bewegung gilt, hatte dagegen geklagt, dass eine Kundgebung am 1. August 2020 im Berliner Regierungsviertel von der Polizei mit Verweis auf Verstöße gegen die Masken- und Abstandspflicht aufgelöst und eine weitere am 29. August des Jahres stark eingeschränkt worden war. Ballwegs Anwalt kündigte nach dem Urteil Berufung beim Oberverwaltungsgericht an.
Das Gericht begründete seine Entscheidung vor zahlreichen Zuschauern im Saal mit der besonderen Gefahrenlage im Jahr 2020. Die Gefährlichkeit des Virus habe man damals noch nicht sicher einschätzen können. Zudem habe es zum Zeitpunkt der Kundgebungen auch noch keine Impfung gegeben. Vor diesem Hintergrund seien die Anforderungen an eine Auflösung einer Demonstration mitunter geringer gewesen als in der Zeit zuvor, so das Verwaltungsgericht.
Ballweg und sein Anwalt hatten vor Gericht zuvor erklärt, dass sich die Polizei bei ihren Maßnahmen nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt habe. Dieser Erkenntnisstand sei damals »schon ein anderer« gewesen, erklärte der Anwalt. Die Polizei habe aber beim Robert-Koch-Institut nicht nachgefragt, ob unter freiem Himmel ohne Maske tatsächlich eine erhöhte Ansteckungsgefahr bestehe: »Man wollte den Menschen bei Demonstrationen die Masken aufzwingen.« Auch unter damaligen Bedingungen sei diese Auflage »rechtswidrig und verfassungswidrig« gewesen, so der Jurist.
Eine Vertreterin der Berliner Polizei verwies auf eine Vielzahl von Erkenntnissen, aus denen die Behörden sich ein Bild hätten machen müssen. Man habe eine Grundlage für die notwendige Gefahrenabwehr gebraucht. Dabei sei es auch um Alltagserfahrung gegangen, um lebensnahe Entscheidungen und den Schutz der Gesundheit. Eine hundertprozentige Gewissheit habe es eben nicht gegeben, heute wisse man mehr. Ballweg forderte, dass man für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit Tatsachen zugrunde legen müsse. Die Polizei habe zudem Abstände gar nicht kontrolliert und das Tragen von Masken nicht erfasst, ergänzte der Anwalt. Die Demonstrationen seien einfach politisch nicht erwünscht gewesen.
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