Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Freitag, 14. Februar 2025, Nr. 38
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 14.02.2025, Seite 5 / Inland
Wissenschaftspolitik

Wissen ist machtlos

»Bafög statt Bomben«: Marode Hochschulen, prekäre Beschäftigung, gegängelte Forschung. GEW appelliert an Bund
Von Niki Uhlmann
5.jpg
Wasserhavarien, defekte Labore und Stromausfälle: Allein die Sanierung der TU Berlin würde 2,4 Milliarden Euro kosten

Keine Rolle im Wahlkampf spielt die Wissenschaft gleich in doppelter Weise: Weder halten sich die Parteipolitiker an Realitäten, noch kümmern sie sich um die Belange der Forscher. Die Wissenschaftspolitik will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aber auf die Tagesordnung setzen und hat dafür am Mittwoch eine Konferenz veranstaltet. Befristung, Sanierungsstau sowie Gängelung halten den akademischen Betrieb nieder, so der Tenor, und der wurde samt Forderungen der GEW mit einigen Berufspolitikern diskutiert.

Rund 60 Gäste hatten sich im holzgetäfelten Tagungssaal versammelt. Der »Tabubruch«, das Paktieren von CDU und AfD, »steckt uns noch in den Knochen«, eröffnete Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der GEW, die Tagung. Die AfD fordere zudem erhebliche Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit. Selbst Friedens- und Klimaforschung stünden bei einem fortschreitenden Rechtsruck zur Disposition. Darum müsse man »weg vom Abwehrkampf, hin zu visionären Forderungen«. Für Bildung sei kein Geld da, behaupte man, während bei Militärausgaben ein »Überbietungswettbewerb« stattfinde. »Bafög statt Bomben«, müsse es wieder heißen und: »Tax the rich!« Lauter Zuspruch aus dem Publikum.

Um den Fehler der Parteien nicht zu wiederholen, wurde zunächst ein Lagebild vorgestellt. Einmal pro Legislaturperiode analysiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Hochschulen, so auch 2025. Die zentralen Befunde: Die Mittel für Hochschulen steigen, die Zuschüsse des Bundes kaum; die Befristung von Arbeitsverträgen an Hochschulen sei wegen der Abhängigkeit von Drittmitteln weiterhin die Regel und treibe Wissenschaftler in die Privatwirtschaft; noch immer sinkt der Frauenanteil mit jeder Stufe der Karriereleiter (wobei inzwischen Fortschritte zu verzeichnen sind), auch weil Frauen häufiger befristet beschäftigt sind als Männer, so dass Familie und Beruf oft unvereinbar sind.

Das alles steht auch noch vor dem Hintergrund eines riesigen Investitionsstaus der Hochschulen. Dieser falle mit rund 140 Milliarden Euro fast doppelt so hoch aus wie bisher angenommen, sagte Keller mit Verweis auf das BMFB. Obendrein lebe ein Drittel aller Studenten in »prekären Verhältnissen«, die ein Studium kaum zuließen, wie Anwesende berichten. Die Hochschulen würden ihrer Aufgabe, den Grundstein für wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu legen, nicht mehr gerecht.

Mit dem lieben Geld beginnt auch der Forderungskatalog der GEW: Um die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu gewährleisten, müsse der Bund künftig deren Grundfinanzierung gewährleisten. Statt Exzellenzstrategie und Fokus auf Drittmittel brauche es wieder mehr Kooperation von Bund und Ländern bei Hochschulbau und Personalentwicklung, letzteres durch Auflagen für Geldgeber und eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), wobei längere Befristungszeiträume und Gleichstellung verankert werden sollen. Studierende bräuchten einen »Hochschulsozialpakt«, der sie durch bezahlbare Wohnheime und Bafög, das »automatisch an Preissteigerungen« angepasst und »nicht zurückgezahlt« werden muss, entlastet.

Er sehe zwar den Handlungsbedarf, beim aktuellen Etat aber keine Möglichkeit, die Forderungen umzusetzen, warf Thomas Jarzombek, CDU-Bundestagsmitglied, in die anschließende Diskussion ein. Weniger, dafür konzentriertere Förderprojekte sollen es ihm zufolge richten. Statt neuer Schulden sollten Militärausgaben auch für die Forschung mobilisiert werden. Carolin Wagner (SPD) und Laura Kraft (Bündnis 90/Die Grünen) hielten gegen; erstere verwies auf die produktive Wirkung neuer Schulden, letztere verglich Wissenschaft und deutsche Autobahnbrücken. Beide betonten, wieviel die Ampel bereits geleistet habe und wieviel sie noch vorhätten, mussten sich aber die Kritik von links und rechts gefallen lassen. Militärforschung sei das Gegenteil wissenschaftlicher Freiheit, betonte Nicole Gohlke (Linke), die bei allen Forderungen der GEW mitging, ebenso die jüngst beschlossene Bundestagsresolution gegen Antisemitismus in der Lehre. Wagner und Kraft drucksten: Sie seien spät einbezogen worden und dagegen gewesen. Gohlke setzte nach, dass das WissZeitVG, wenn es nicht bald ein »Instrument guter Arbeitsbedingungen« werde, auch ersatzlos gestrichen werden könnte. Der Zuspruch im Saal war unüberhörbar.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

Mehr aus: Inland