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Aus: Ausgabe vom 15.02.2025, Seite 7 / Ausland
Militärtechnik

Mit Netzen gegen Drohnen

Beispiel Ukraine: Ferngesteuerte Flugkörper haben die Kriegführung verändert
Von Lars Lange
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Auch handelsübliche Drohnen können leicht zu tödlichen Waffen umfunktioniert werden (Charkiw, 19.1.2025)

Sie sind allgegenwärtig, billig und tödlich: Wie keine andere Waffengattung bedrohen kleine Drohnen Panzerfahrzeuge, Nachschub, befestigte Stellungen und einzelne Soldaten. Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Olexandr Sirskij, behauptet sogar in einem aktuellen Facebook-Post, dass 66 Prozent aller russischen Verluste bereits auf das Konto von ukrainischen Drohnen gehen würden. Die Entwicklung in diesem Feld ist dabei rasend schnell, nahezu wöchentlich werden neue Taktiken ausprobiert, neue Technologien erprobt.

Eine bemerkenswerte Entwicklung zeigt sich jetzt bei Tschassiw Jar. Die Stadt im Osten der Ukraine ist seit Monaten heftig umkämpft und gilt als strategisch wichtig. Dort haben russische Pioniertruppen nach Angaben des proukrainischen X-Kanals »Noel reports« einen etwa zwei Kilometer langen Nachschubkorridor geschaffen, der Bachmut mit den russischen Fronttruppen bei Tschassiw Jar verbindet. Dieser Korridor ist bereits testweise vollständig mit Netzen abgespannt worden, in denen sich die angreifenden Quadrocopter verfangen, so dass sie abstürzen, bevor sie Fahrzeuge und nachrückende Soldaten erreichen können. Vorstellen muss man sich das Ganze wie eine Vogelvoliere, die als zwei Kilometer langer Tunnel ausgeführt wurde.

Auf beiden Seiten gleicht der Drohnenkampf in technischer Hinsicht einem Katz- und Mausspiel. Konnten kleine, per Funk gesteuerte Drohnen mit Kameranavigation noch in den ersten Monaten nach ihrem Aufkommen ungehindert feindliche Truppen und Ausrüstungsgegenstände angreifen, ist das jetzt aufgrund der immer effektiveren Funkstörung schwieriger. Deshalb setzt Russland seit einigen Monaten auf den massenhaften Einsatz von Drohnen mit Glasfaserspulen: Die Drohnen werden über ein äußerst dünnes, aber dennoch stabiles Glasfaserkabel ins Ziel geführt, ohne dass eine Abwehr durch Funkstörung möglich wäre. Ein aktuelles russisches Video belegt, wie zwei Drohnen nacheinander zwei ukrainische Panzerfahrzeuge in einer Reparaturwerkstatthalle zerstören – kabelgelenkte Drohnen können in Tunneln, Innenräumen oder Schluchten operieren, da sie kein Funksignal benötigen.

Die Technologie erfordert besonders geschulte Drohnenpiloten, weil das dünne Seil eine gewisse Zugwirkung auf den Drohnenflug ausübt, was die Beherrschung erschwert. Russland hat hier einen Vorsprung: Besonders in der Region Kursk und jetzt seit neuestem in Pokrowsk sind die neuen Drohnen in großen Mengen im Einsatz. Der russischen Industrie ist eine Massenproduktion gelungen, und zusätzlich konnte die Armee genügend Operatoren entsprechend schulen. Zwar ist die Ukraine bisher deutlich im Rückstand, doch die Erfahrungen des bisherigen Kriegsgeschehens zeigen, dass solche temporären Asymmetrien mit großer Geschwindigkeit ausgeglichen werden können. Deshalb kann vermutet werden, dass der neue, mit Drohnennetzen geschützte Nachschubkorridor schon jetzt eine Vorbereitung auf die kommenden, nicht zu störenden Glasfaserdrohnen der ukrainischen Streitkräfte sein könnte.

Die Aufrüstung beschleunigt sich dabei stetig. Eine weitere Neuerung im Drohnenkrieg ist der Einsatz kleiner sichtgeleiteter Drohnen als eine Art aktiven Minensystems. Das erreichen Techniker beider Kriegsparteien durch gezielte Programmierung der Firmware. Sie setzen spezifische Zeitfenster, in denen die Drohnen nach Steuerungssignalen suchen. Die Flugkörper werden strategisch unter Vegetation an Straßenrändern oder auf Dächern plaziert, wo sie dann im Schlafmodus ruhen. In diesem Modus bleiben die Systeme nicht durchgehend mit dem Operator verbunden und senden keine verräterischen Signale aus. In festgelegten Intervallen – typischerweise alle zwei bis vier Stunden – aktiviert sich die Drohne und sucht nach Steuerungssignalen. Findet die Drohne keine Verbindung, schaltet sie sich automatisch wieder ab und wartet auf den nächsten programmierten Zeitpunkt. Dieser Zyklus kann sich über Tage erstrecken, während die Drohnen unentdeckt auf ihr Ziel warten.

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