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Aus: Ausgabe vom 15.02.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Zweite Liga

Von Arnold Schölzel
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In der FAZ berichtet Mitherausgeber Berthold Kohler von »Shock and Awe« und »Fassungslosigkeit« unter den europäischen Verbündeten der USA nach dem Telefongespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin. Darin soll es unter anderem um den Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, um Atomwaffen und um den Ukraine-Krieg gegangen sein. Geschockt zeigen sich deutsche Kommentatoren wie Kohler nur über das, was zu letzterem Thema verlautbart wurde, also über die Absicht, den Krieg vor allem durch bilaterale Verhandlungen zu beenden. Der FAZ-Mann, der nach dem Wahlsieg Trumps 2016 noch eine deutsche Atombombe in Erwägung zog, doziert nun jammernd: »Als nach dem ›Ende der Geschichte‹ diese doch weiterging und die Bedrohung aus dem Osten wiederkehrte, wollte man das lange nicht wahrhaben.« Das ist verschüttete Milch und zudem Geschichtsfälschung: Anfang der 1990er sollte die »einzige Weltmacht« (der damalige US-Präsident George Bush) die Geschichte voranbringen. Deren »Ende« sah nämlich die Kolonisierung der Welt, darunter der Nachfolgestaaten der Sowjetunion, vor. So wurde etwa das russische Außenministerium zeitweilig eine Filiale des State Department. Den Phantasien folgten die NATO-Europäer willig und betrieben unter US-Führung begeistert die Ausdehnung der Allianz bis an die russischen Grenzen. Mit »Gefahr aus dem Osten« hatte das nichts zu tun, sondern mit Neuaufteilung der Welt und Expansion. Die Kolonialkriege des Westens flankierten das Vorrücken Richtung Osten in Europa.

Ähnlich geschichtsphilosophisch wie Kohler klagt in der Süddeutschen Zeitung am Freitag deren Politikchef Stefan Kornelius: »Die Tragweite dieses Telefonats kann nicht groß genug eingeschätzt werden. Trumps mäandernder Bewusstseinsstrom hat nicht nur Verfassungsgefüge geflutet, sondern reißt nun die Grundfesten der außenpolitischen Ordnung mit sich.« Trump habe in dem Gespräch mit Putin »das Ende der Pax Americana verkündet, der amerikanischen Friedensordnung, die Europa Jahrzehnte der Sicherheit geschenkt hat«. 20 Jahre deutsche Landesverteidigung am Hindukusch mit katastrophalem Ende, weil Joseph Biden diesen einen Krieg loswerden wollte, zählt Kornelius offenbar zur »Sicherheit«. Nun will auch Trump wenigstens einen Krieg loswerden. Der aber ist wegen »Bedrohung aus dem Osten« für Kornelius oder Kohler unersetzlich. Da stockt der Bewusstseinsstrom schon mal.

Wesentlich nüchterner sieht das der britische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson. Das Handelsblatt stellt am Freitag ein Interview mit ihm unter die Überschrift: »Bei Innovationen spielt Deutschland in der zweiten Liga«. Das Land habe »die innovativste Wirtschaft des 20. Jahrhunderts gehabt«, aber unter Angela Merkel sei »alles zum Stillstand« gekommen und »Stagnation als Stabilität angesehen« worden. Sein Lösungsvorschlag: Das Militärbudget verdoppeln und »sich auf den Wiederaufbau seiner Produktionsbasis für Waffen konzentrieren«. Das könne »die Wirtschaft effektiv ankurbeln«. Westeuropa brauche sehr bald eine »strategische Autonomie« und »Deutschland sollte dabei vorangehen«. Ferguson spricht den Auftrag der nächsten Bundesregierung und den Zweck der Bundestagswahlen aus, die am Tag nach dem Wahlsieg Trumps angeordnet wurden:

Der könne, so der Historiker, seinen Willen gegenüber Mexiko, Kanada und EU-Europa »relativ leicht durchsetzen«, weil sie unter den Konsequenzen seiner Politik mehr litten als die USA. Trumps Problem sei China. Denn der »Schlüssel zum neuen kalten Krieg« liege darin, »dass die Chinesen viel bessere Konkurrenten im Techwettrennen sind, als es die Sowjets je waren«. Zweite-Liga-Länder sind keine Konkurrenten. Nur noch mehr oder weniger lästig.

Der »Schlüssel zum neuen kalten Krieg« liege darin, »dass die Chinesen viel bessere Konkurrenten im Techwettrennen sind, als es die Sowjets je waren«. Zweite-Liga-Länder sind keine Konkurrenten. Nur noch mehr oder weniger lästig.

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