Vorläufig zweite Liga
Von Jörg Kronauer![2025-02-14T171420Z_1607200709_RC2HUCAXKARP_RTRMADP_3_SECURITY-MU](/img/450/205553.jpg)
Die zweite Liga der Weltpolitik: Dorthin haben die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump am Wochenende die Länder Westeuropas und die EU verbannt. Dass sie an den bevorstehenden Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs nicht teilnehmen sollen, das ist für die selbstverliebten Herrschenden in Europa ein harter Schlag. Schließlich sind sie es seit Kolonialzeiten gewohnt, verlässlich Plätze an den Verhandlungstischen zu haben, an denen über die großen Fragen der Weltpolitik entschieden wird. Kein Wunder, dass sie jetzt laut zetern und toben, dass sie nervös »nichts über Europa ohne Europa« skandieren – und anschließend tun, was sie noch immer am besten können: einen EU-Krisengipfel anberaumen. Trump wird davon nicht sonderlich beeindruckt sein.
Denn es stimmt: Im transatlantischen Kräftemessen liegt die EU klar zurück. Auch wenn insbesondere deutsche Unternehmen weiterhin satte Gewinne aus ihrem US-Geschäft ziehen – dass die USA in den vergangenen Jahren die EU in den entscheidenden Technologien, bei Halbleitern etwa und auch in der künstlichen Intelligenz (KI), abgehängt haben; dass sie Europa tendenziell Investitionen abwerben; dass sie es von US-Flüssiggasimporten und seit Beginn des Ukraine-Kriegs auch wieder verstärkt von US-Rüstungslieferungen abhängig gemacht haben, trifft zu. Trump legt jetzt mit Zöllen, mit der Bekundung, Grönland annektieren zu wollen, und eben mit der Ausgrenzung von den Ukraine-Verhandlungen noch einige Schippen drauf. Ein EU-Diplomat kommentierte die empörte Forderung, gefälligst mit verhandeln zu dürfen, im Portal Politico treffend: »Wenn man darauf bestehen muss, relevant zu sein, dann heißt das wahrscheinlich, dass man es nicht ist.«
Es stimmt aber auch: Für die EU und insbesondere für ihre deutsche Zentralmacht steht im Ukraine-Krieg sehr viel auf dem Spiel – und zwar erheblich mehr als bei anderen Konflikten und Kriegen. Denn letzten Endes geht es darum, ob es Berlin und Brüssel gelingt, ihre Dominanz in Ost- und Südosteuropa zu sichern, die sie sich nach 1990 wirtschaftlich und politisch mit der EU-Osterweiterung und militärisch mit der Ausdehnung der NATO bis an die Grenze des russischen Rivalen erkämpft haben. Gewinnt Russland den Krieg, dann hat es diese Dominanz durchbrochen. Über die Beendigung des Waffenganges nicht einmal mit verhandeln zu dürfen – das kommt für Deutschland und die EU, wo viele immer noch auf Kriegsglück setzen, nicht in Frage.
Der für Montag in Paris angekündigte EU-Sondergipfel soll in einem ersten Schritt eine Beteiligung Westeuropas an den Verhandlungen durchsetzen helfen. Langfristig erfordert eine auf Dominanz statt auf Ausgleich zielende Politik freilich militärische Stärke, also beinharte Aufrüstung. Ausgerechnet Trump, der Westeuropa – vorläufig? – in die zweite Liga der Weltpolitik verbannt hat, gibt dazu mit seiner Fünfprozentforderung die Richtung vor.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (17. Februar 2025 um 01:51 Uhr)Die Kompassnadel der EU und ihrer Mainstreammedien weiß im Moment nicht so recht, wo sie hin soll. Da lesen und hören wir seit 2014 von der EU und speziell von Deutschland, dass sie keine Beteiligten am Ukraine-Krieg seien. Doch auf einmal wollen sie an Friedensverhandlungen teilnehmen. Steht das Unbeteiligten zu? Selenskij hat ein Gesetz unterschrieben, welches jegliche Verhandlungen mit Russland untersagt. Jetzt sind die Russen oder die USA sogar dann Schuld, wenn sie ukrainische Gesetze achten.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (16. Februar 2025 um 20:47 Uhr)Der Artikel beschreibt die Situation treffend, doch bleibt die Bezeichnung »vorläufig« im Titel unbegründet. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, warum die Degradierung Westeuropas in die zweite Liga der Weltpolitik nur vorübergehend sein sollte oder welche Faktoren eine Rückkehr in die erste Liga ermöglichen könnten. Weder wird eine konkrete Perspektive aufgezeigt noch eine realistische Hoffnung formuliert. Der angekündigte Pariser EU-Sondergipfel dürfte kaum etwas bewirken – Frankreich ist wirtschaftlich angeschlagen, Deutschland politisch und wirtschaftlich geschwächt, und die EU als Ganzes wird auf der Weltbühne nicht ernst genommen. Wer also sollte die Situation ändern? Der Artikel deutet nicht einmal an, welche Akteure eine Wende herbeiführen könnten oder welche Maßnahmen dazu erforderlich wären. Gerade diese Leerstelle macht den Text unvollständig.
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