2.000 Lichtjahre von daheim
Von Ronald Kohl
Es war einmal eine glückliche Familie: Mutter, Tochter, Robi. Da der Animationsfilm »Space Cadet« ohne ein einziges gesprochenes Wort auskommt und somit auch keiner der Figuren beim Namen genannt wird, könnte ich Robi auch den Unisexnamen Robbi verpassen, doch dagegen spricht, dass Robi gleich zu Beginn versucht, eine Fliege oberhalb seiner blechernen Brust zu befestigen, also einen Querbinder, auch Krawattenschleife genannt, ein modisches Accessoire, das für gewöhnlich eher von Männern getragen wird.
Leider ist der Magnet, auf den die Fliege aufgeklebt ist, nicht stark genug, so dass der Propeller ständig verrutscht und Robi zu dem festlichen Akt, für den er sich das Ding anzuheften versucht, beinahe zu spät kommt.
Celeste, die nach anstrengender Ausbildung endlich ihr Diplom als Raumfahrerin in Empfang nimmt, verzweifelt schon, weil Robis Platz im Auditorium so lange leer bleibt. Robi hat beträchtlichen Anteil an dem krönenden Abschluss der Ausbildung seines Ziehkindes, denn seit Celestes Mutter Stella, selbst eine hochdekorierte Raumfahrerin, von ihrer letzten Mission nicht zurückgekehrt war, ist Robi alleinerziehender Begleitroboter.
Was aus Celestes Vater geworden ist und ob es überhaupt jemals einen gab, bleibt unserer Phantasie überlassen. Auf jeden Fall scheint Celestes Geburt kein Ergebnis einer intergalaktischen sexuellen Begegnung gewesen zu sein. Ehrlich gesagt, scheint sie eher das Resultat einer Klonung zu sein; die erwachsene Celeste sieht ihrer Mama wirklich zum Verwechseln ähnlich, was allerdings auch am Raumanzug liegen könnte.
Schon kurz nach den Abschlussprüfungen am Space Center wird Celeste ein Brief mit dem Befehl für ihren ersten Start zugestellt. Die Freude darüber ist riesig, sowohl bei ihr als auch bei Robi. Sie hält jedoch nicht lange an, besonders nicht bei Robi, denn noch bevor Celeste im All ihr erstes Problem bekommt, ziehen sich bei Robi sämtliche Kabel vor Einsamkeit zusammen. Was tun, wenn die einzige Person, die man als Begleitroboter begleiten könnte, 2.000 Lichtjahre von daheim durch unbekannte Sonnensysteme düst?
Da Alkohol schlecht für die Drähte ist, fängt Robi an zu malen, so richtig mit Leinwand und Farbe. Robi malt zunächst die Heizungskörper in der Wohnung. Danach den Fernseher. Und natürlich auch die Vase und ähnliches. Bis ihn schließlich eine rote Katze mit einem nervös zuckenden Schwanz besucht. Diese Begegnung katapultiert ihn in einen neuen künstlerischen Kosmos.
Celeste ist derweil wissenschaftlich unterwegs. Und obwohl sie ganz alleine in ihrer Rakete reist, scheint sie Robi kaum zu vermissen, so sehr ist sie mit ihren Experimenten beschäftigt. Bei einer kleinen Pflanze, die sie auf einem staubigen Planeten eingesammelt hat, bemerkt sie eher zufällig, dass deren Zellflüssigkeit an der Luft innerhalb von Millisekunden zu einer betonharten Klebmasse wird. Wie sich noch herausstellen soll, eine lebensrettende Entdeckung.
Noch bevor Celeste auf dem Nachbarplaneten landen kann, wird ihr Raumschiff von einem Schwarm bösartiger kleiner Monster angeknabbert, die wie die Mischung aus einem Coronavirus und einem Piranha aussehen. Es folgt eine längere Notlandung, um das ramponierte Raumschiff wieder flottzubekommen. Kaum will Celeste wieder starten, wird sie allerdings von einem gewaltigen Schwarm der Coronapiranhas in die Mangel genommen. In letzter Not schafft sie es, unter einen Felsvorsprung zu flüchten, wo sie unentdeckt überleben kann, ganz wie beim Boofen in der Sächsischen Schweiz. Ein Schulungsfilm für künftige Raumkadetten und Bergsteiger.
»Space Cadet«, Regie: Eric San, Kanada 2025, 86 Min., Generation Kplus, 17.2., 18.2., 19.2., 22.2.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feuilleton
-
Der perfekte Nazi
vom 17.02.2025 -
Erbsünde Nr. 11
vom 17.02.2025 -
Mit verstörtem Sinn
vom 17.02.2025 -
Nachschlag: Revision
vom 17.02.2025 -
Vorschlag
vom 17.02.2025 -
Veranstaltungen
vom 17.02.2025