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Aus: Ausgabe vom 18.02.2025, Seite 6 / Ausland
Afrikanische Union

Denkzettel für Marokko

Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union hat sich bei der Wahl der Vizepräsidentin Algerien durchgesetzt
Von Bernard Schmid
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War zu Tränen gerührt über den Erfolg: Algeriens Außenminister Ahmed Attaf (New York, 21.1.2025)

Hinterher waren dem Fuchs die Trauben, an die er nicht herankam, immer schon zu sauer gewesen. Am Montag übertitelte die marokkanische Onlinezeitung Le 360 ihren Newsletter denkbar ungewöhnlich: »One, two, three, viva l’Algérie!« Solche euphoriegetränkten Worte, um Algerien hochleben zu lassen, kennt man hauptsächlich von Fußballfans aus dem größten Flächenstaat Afrikas. Gewiss nicht von marokkanischer Seite – stehen sich die beiden Nachbarländer doch seit längerem feindselig gegenüber. Seit 1994 ist die Landgrenze zwischen ihnen geschlossen. Anlass war damals ein dschihadistischer Anschlag, den französisch-algerische Doppelstaatsbürger im Hotel »Asni« in Marrakesch verübt hatten.

Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Konflikt zugespitzt, vor allem seit einem von US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit eingefädelten »Deal«: Die marokkanische Monarchie akzeptierte im Dezember 2020 ein Abkommen mit Israel zur Normalisierung der diplomatischen Beziehungen – als Gegenleistung dafür, dass Washington sich offiziell hinter die illegale Okkupation der Westsahara durch das nordafrikanische Königreich stellte. Dem schlossen sich 2022 und 2024 nacheinander auch Spanien und Frankreich an.

Der englisch-spanisch-französische Slogan war daher kein Ausdruck sportlichen Überschwangs, sondern bitterer Ironie. Hämisch behauptete Le 360, Algeriens Außenminister Ahmed Attaf persönlich habe die Siegerin des Wochenendes – die 47jährige Selma Malika Haddadi, frühere Generaldirektorin für afrikanische Angelegenheiten in dessen Ministerium – mit Tränen der Freude umarmt. »Hat Algerien jetzt einen ständigen Sitz mit Vetorecht im UN-Sicherheitsrat gewonnen?« wurde dazu höhnisch kommentiert.

Das hatte Algerien nicht. Wohl aber in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag das Amt einer Vizepräsidentin der Kommission der Afrikanischen Union (AU) anlässlich ihres 38. Gipfels in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, die auch den AU-Sitz beherbergt. Und dies in direkter Konkurrenz mit einer marokkanischen Kandidatin, Latifa Akharbach, einer Diplomatin und Essayautorin, die zuletzt die marokkanische Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen geleitet hatte. Wie Maghreb online präzisiert, »trotz einer intensiven Lobbyarbeit Marokkos hinter den Kulissen der gesamtafrikanischen Staatenorganisation«.

Auch wenn Le 360 das Ereignis kleinreden möchte: Die marokkanische Außenpolitik hatte diverse Hebel in Bewegung gesetzt, um zu versuchen, ein ihr genehmes Abstimmungsergebnis zu erzielen. Zunächst hatten mehrere Staaten Nordafrikas eigene Kandidaturen präsentiert, neben den beiden Rivalen auch Libyen und Ägypten. Die marokkanische Außenpolitik erklärte sich im Laufe des Abstimmungsmarathons bereit, auf ihre Kandidatin zu verzichten und die ägyptische Bewerbung zu unterstützen, sofern nur Algerien auch zurückziehe. Am Schluss waren sieben Wahlgänge erforderlich, bis das Ergebnis feststand.

Marokko war 1984 aus der Organisation für afrikanische Einheit (OAU), der Vorläuferorganisation der AU, ausgetreten – weil diese die Westsahara als zu entkolonisierendes Territorium einstufte. 2017 kehrte Marokko jedoch in die Staatengemeinschaft zurück, und seitdem versucht es, den Kurs der AU zu beeinflussen. Sechs Länder, deren Unterstützung Marokko sicher glaubte, durften diesmal jedoch nicht mit abstimmen: Aufgrund vorausgegangener Militärputsche wurden die Übergangsregierungen in Guinea, Mali, Burkina Faso und Niger sowie die ebenfalls von Militärs geführte provisorische Regierung in Gabun nicht als ausreichend demokratisch legitimiert eingestuft, ferner auch der vom Bürgerkrieg erschütterte Sudan.

Ein wichtiges Thema auf dem zweitägigen Gipfel waren die Kriege just im Sudan sowie in der Demokratischen Republik Kongo, wo die Miliz »M 23« am Wochenende auch die Hauptstadt der Provinz Südkivu, Bukavu, eingenommen hatte. Die Redner verlangten zwar den Respekt der territorialen Integrität des Kongo, doch allein Burundi forderte Sanktionen gegen Ruanda als Aggressor. Als neuer Kommissionspräsident wurde der Diplomat Mahmud Ali Jusuf aus Dschibuti gewählt.

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