Feiertag im Zeichen der Blockade
Von Slavko Stilinović
Drei Tage und eine Strecke von 130 bis 150 Kilometern hatten die Studenten hinter sich, als sie am Freitag abend im zentralserbischen Kragujevac ankamen. Dort wurden sie mit Applaus, Feuerwerk, rotem Teppich und stürmischen Emotionen empfangen. Der von der jüngst entstandenen Studentenbewegung organisierte Marsch war Teil einer größeren Protestaktion anlässlich des am Sonnabend begangenen Nationalfeiertags. Während Zehntausende an diesem geschichtsträchtigen Tag in Kragujevac gegen die Regierung protestierten, veranstaltete die regierende Fortschrittspartei mit Präsident Aleksandar Vučić im weiter nördlich gelegenen Sremska Mitrovica eine eigene Kundgebung. Denn am 15. Februar feiert Serbien den Beginn des Aufstandes gegen das Osmanische Reich im Jahre 1804 und das Inkrafttreten der ersten Verfassung 1835, die damals eine der fortschrittlichsten in ganz Europa war.
Ab neun Uhr morgens besetzten die Studenten den Lepenički-Boulevard in Kragujevac. Im Laufe des Tages schlossen sich ihnen Tausende Menschen aus ganz Serbien an, um die mittlerweile fast dreimonatige Blockade von mehr als 60 Fakultäten an vier staatlichen Universitäten zu unterstützen. Sie fordern, dass die Regierung die Verantwortung für den Tod von 15 Menschen übernimmt, die bei dem Einsturz eines Bahnhofsdachs in Novi Sad im November ums Leben kamen. Weitere Forderungen umfassen die Aufdeckung von Korruption auf Staatsebene sowie effizient arbeitende Behörden und öffentliche Einrichtungen. Eine Studentin trug ein Banner mit der Aufschrift »Der Beginn des Aufstands gegen die Dahis«. »Dahis« waren zur Zeit der osmanischen Herrschaft abtrünnige Janitscharenoffiziere, die lange Zeit tun konnten, was sie wollten, bis das Volk sie stoppte, so die Erklärung der jungen Frau – eine Anspielung auf die studentische Massenbewegung, die täglich landesweit an Unterstützung gewinnt, sogar in traditionellen Hochburgen der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS). So sympathisieren mittlerweile auch Landwirte oder zahlreiche öffentliche Persönlichkeiten wie die Schauspieler des Knjaževsko-Srpski-Theaters in Kragujevac mit den Studenten. Das Theater hat in diesem Sinne alle Aufführungen und die traditionelle Verleihung des »Joakim Vujić«-Preises abgesagt.
Auf der Kundgebung der Serbischen Fortschrittspartei in Sremska Mitrovica hingegen machte Vučić äußere Kräfte für die seit Monaten andauernden Proteste verantwortlich: Serbien sei »bedroht« und werde »von außen angegriffen«. »Viele von innen« würden das aber unterstützen. Weiter gab er an, dass drei Milliarden Euro für seinen Sturz ausgegeben worden seien. Von der Bühne aus verkündete er temperamentvoll und mit bedrohlichem Ton, dass die »Farbrevolution« gescheitert sei. Dies machte er auch an der geplanten Streichung von USAID (US-amerikanische Agentur für internationale Entwicklung) durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump fest: »Meldet es USAID und NED (National Endowment for Democracy) – überall soll es bekannt sein: Es ist vorbei, und Serbien hat gesiegt.« Er kündigte zudem an, ein »Bestseller«-Buch darüber zu schreiben, wie er die »Farbrevolution« besiegt habe, dabei hat die Protestbewegung bereits für den ersten März zu einer erneuten großen Kundgebung aufgerufen.
Gegen Ende der SNS-Veranstaltung forderte der Präsident seine Anhänger auf, die »Volksdeklaration über die Wojwodina« zu unterstützen, die am Vortag in der Belgrader Zeitung Politika veröffentlicht worden war. Darin wird betont, dass die nordserbische autonome Provinz Wojwodina untrennbar zu Serbien gehöre. Schon Anfang Februar hatte Vučić vor separatistischen Bestrebungen in der Region gewarnt, die im Zuge der Studentenproteste wiederaufgeflammt seien. Auch Milorad Dodik, der Präsident der bosnisch-serbischen Republik Srpska, sowie Milan Knežević, der Vorsitzenden der Demokratischen Volkspartei aus Montenegro, nahmen an der Gedenkfeier in Sremska Mitrovica am Sonnabend teil.
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