Weiter auf Rüstungskurs
Von Philip Tassev
Nach dem Abschluss der ersten Gesprächsrunde zur Beendigung des Ukraine-Krieges zwischen dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und seinem US-Gegenpart Marco Rubio am Dienstag in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad – ohne Vertreter aus Europa oder der Ukraine – sind deutsche Politiker bemüht, den offen zutage tretenden Einflussverlust europäischer Mächte zu beschönigen. Man dürfe die Gespräche zwischen den USA und Russland nicht überbewerten, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag im ZDF-»Morgenmagazin«.
»Wir sollten jetzt nicht den riesengroßen Fehler machen, auch noch dem Putin einen Gefallen zu tun, indem wir diese Gespräche größer reden, als sie eigentlich sind«, sagte Baerbock. Das Treffen von Lawrow und Rubio sei nur eine »Kontaktaufnahme« gewesen. Die »Europäer« müssten einen »sehr kühlen Kopf bewahren«. Da US-Präsident Donald Trump »anders arbeitet als alle anderen«, sei es »um so wichtiger«, jetzt »selbstbewusst zu sein, klar zu sein, für unsere Werte und Interessen einzustehen«. »Unser wichtigstes Interesse ist ein dauerhafter Frieden und kein Scheinfrieden«, behauptete die Außenamtschefin, die noch vor nicht allzu langer Zeit Russland »ruinieren« wollte und sich zwischenzeitlich schon im Krieg mit der östlichen Atommacht sah.
Die Äußerungen ihres Parteikollegen Anton Hofreiter klingen allerdings so gar nicht nach »dauerhaftem Frieden«: Gegenüber den Zeitungen der Funke-Gruppe forderte der Bundestagsabgeordnete einen »einen 500 Milliarden schweren Verteidigungsfonds für die Unterstützung der Ukraine sowie für gemeinsame Rüstungsbeschaffung in der EU«.
Baerbock hatte bereits am Wochenende am Rande der Münchner »Sicherheitskonferenz« in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg ein monströses Aufrüstungspaket für die Ukraine in Aussicht gestellt – von 700 Milliarden Euro ist die Rede. Dabei wusste Bloomberg zu berichten, dass diese Pläne erst nach der Bundestagswahl am 23. Februar verkündet werden sollen, um »Kontroversen« zu vermeiden.
Das dürfte den ukrainischen Botschafter in der Bundesrepublik, Olexij Makejew, freuen. Er sagte dem Bayerischen Rundfunk laut Mitteilung vom Dienstag, jede Friedensvereinbarung mit Russland müsse »abgesichert« werden. »Und die beste Absicherung ist die ukrainische Armee.« Die müsse hochgerüstet werden, »damit wir uns und alle anderen Europäer schützen können und auch im Falle eines Friedensschlusses«. Wer aber bis dahin die Ukraine »schützt«, darüber herrscht auch nach dem Pariser Treffen vom Montag weiter Uneinigkeit zwischen den europäischen Mächten.
Für den Fraktionsvize der Union, Johann Wadephul (CDU), ist die Voraussetzung für die Entsendung einer als »Friedenstruppe« bezeichneten Streitmacht »zunächst ein Frieden«. Es sei jedoch nicht absehbar, »ob und wann es den gibt«, sagte er am Dienstag dpa. »Sollte am Ende ein UN-Mandat für eine Friedenstruppe stehen, könnten Europäer sich beteiligen. Frankreich und Großbritannien sind dazu offenbar bereit«. Für die BRD stehe zunächst im Vordergrund, »dass wir als einziger NATO-Staat eine kampfstarke Brigade im Baltikum aufstellen«. Großbritanniens Premierminister Keir Starmer hatte am Montag die Stationierung britischer Truppen angeboten. Auch aus Paris gab es in der Vergangenheit schon entsprechende Signale.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisiert die Überlegungen, NATO-Streitkräfte in die Ukraine einrücken zu lassen. »Die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien, aber NATO-Soldaten wären bei einem fragilen Waffenstillstand keine Friedenstruppen«, sagte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht der dpa. Das könnte die BRD »bei einem Wiederaufflammen der Kämpfe in einen verheerenden Krieg mit der Atommacht Russland hineinziehen«.
Sie plädierte dafür, »Sicherheitsgarantien« von jenen neutralen Mächten übernehmen zu lassen, die in den letzten Jahren versucht hatten, im Ukraine-Krieg zu vermitteln, also »Brasilien, Südafrika, China«. Von den Kanzlerkandidaten der anderen Parteien forderte Wagenknecht, ihre Position zu einer »Friedenstruppe« noch vor der Wahl klarzustellen. Die Bundesregierung müsse auch die geplanten Ausgaben für die militärische Aufrüstung Kiews veröffentlichen. Die Wähler dürften nicht im unklaren gelassen werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (18. Februar 2025 um 23:34 Uhr)Wie war das? Der Unterschied zwischen Verschwörungstheorie und der Wahrheit sind 12 Monate. Sahra Wagenknechts Worte bewahrheiten sich wieder: Die Bellizisten schmeißen der Rüstungsindustrie nicht milliardenweise das Geld in den Rachen, sondern hundertmilliardenweise. Da wird doch nach den Worten von Baerbock und Hofreiter der Papberger von Rheinmetall doch noch Grünen-Wähler. Leute werdet wach – noch vor dem nächsten Sonntag – und wählt die einzige ernstzunehmende Friedenspartei. Die Partei Die Linke ist es nach dem letzten Freitag im Bundesrat nicht, wenn es um Frieden geht, ist sie ein nahezu Totalausfall.
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