Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Freitag, 21. Februar 2025, Nr. 44
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 19.02.2025, Seite 5 / Inland
Rechte Wirtschaftspolitik

Kapital kritisiert AfD

Klima-, Migrations- und Euro-Skepsis erschwindeln Oppositionsstatus, verspielen aber Gunst der Konzerne
Von Niki Uhlmann
250206033IPON.jpg
Keine Alternative für Deutschland: Die AfD und ihr reaktionäres Verständnis von Wirtschaftspolitik

Die AfD lügt. Viele fallen darauf herein. Genau das macht sie so gefährlich. Konkret verkauft sie einer Wählerschaft, deren Reichtum seit Jahren nach oben verteilt wird, mit Erfolg ein politisches Programm, mit dem diese Umverteilung brachialer erfolgte als mit dem der FDP. Die immerhin ist schon weitläufig und zu Recht als Partei des Kapitals verschrien. Das zeigte am Dienstag einmal mehr eine Studie des kapitalnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Unter dem Titel »Rechtsaußenerstarken in Deutschland: Implikationen für den Wirtschaftsstandort« ist nachzulesen, dass AfD-Wähler mehrheitlich weniger verdienen als das Medianeinkommen, das AfD-Programm aber »fest am wirtschaftslibertären Ende des Parteienspektrums« einzuordnen ist. Stutzig macht beim Lesen jedoch, dass die Nutznießer der AfD-Politik mit der Partei fremdeln, sie gar als Risiko für ihre Geschäftsinteressen wahrnehmen.

»Deutschland muss aus dem Euro-System austreten«, fordert die AfD in ihrem aktuellen Wahlprogramm. Damit gebe sie den Ausschlag für die Distanzierung großer Teile des BRD-Kapitals, so das IW. Bei einer Unternehmensbefragung im vergangenen Jahr haben 77 Prozent der Konzernbosse dies als Risiko bewertet. Fast genauso einhellig negativ urteilten die Chefetagen über die Wirkung der AfD auf die »konstruktive politische Kultur« (75 Prozent), die »Bildung handlungsfähiger Regierungen« (73,5 Prozent) und die »Fachkräftesicherung« (73 Prozent). Bei einer vergleichbaren Befragung habe knapp die Hälfte angegeben, in »AfD-Hochburgen« bereits Probleme bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte zu haben.

Ebenfalls unbeliebt ist beim BRD-Kapital die Transformationspolitik der AfD, die 67,2 Prozent bedrohlich finden. Die Kombination aus »Windradabbau, Kernenergiewiedereinstieg, Nord-Stream-2-Reparatur mit Abgaben- und Steuerentlastungen« überzeugt nicht. Die unternehmerische Sorge um den Freihandel unter AfD-Ägide (70,3 Prozent) dürfte allerdings unbegründet sein. Schon 2023 hatte sich AfD-Chef Tino Chrupalla für einen von ideologischen Bedenken ungestörten Handel und ununterbrochene Lieferketten ausgesprochen. Unter dem Strich ergäbe sich bei der Umsetzung des AfD-Programms mit 181 Milliarden Euro ein größeres Defizit im Staatshaushalt als bei der FDP. »Zwar würde die Umsetzung dieser Vorschläge die Wirtschaft stark entlasten, aber gleichzeitig wäre die Funktionsfähigkeit der Staatstätigkeit empfindlich eingeschränkt.«

Die AfD-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin Alice Weidel scheint den Schuss gehört zu haben. Am Montag abend behauptete sie in der ARD-»Wahlarena«, man fordere »nicht den Austritt aus der EU«, lediglich eine Rückverlagerung der Kompetenzen in die Mitgliedstaaten. Anfang 2024 hatte sie den Brexit in einem Interview der Financial Times noch als »Modell für Deutschland« bezeichnet. Wie die EU indes konkret zu reformieren sei, habe die AfD laut IW bisher nicht ausformuliert. Weidel setzte in der Wahlarena, aller ideologischen Inkohärenz zum Trotz, noch einen drauf: »Wir brauchen eine qualifizierte Zuwanderung.« Zwar würde die AfD Zugewanderten ohne Recht auf Asyl Ausbildung wie Arbeit untersagen und »sie ausweisen«. Wer aber bereits eine Ausbildung habe, sei »herzlich willkommen«. Das IW resümiert wiederum, die AfD biete »keine gangbaren Lösungen an«, die die demographisch bedingten Lücken auf dem Arbeitsmarkt künftig schließen könnten.

Noch hat die AfD also mit einem Widerspruch zu kämpfen. Einerseits erweckt sie mittels Demagogie erfolgreich den Anschein größtmöglicher Opposition zur »Kartellpolitik«, wobei Klima-, Migrations- und Euro-Skepsis ideologische Klammern darstellen. Andererseits wird mit dem dazugehörigen Programm noch die Gunst derer verspielt, für die es geschrieben wurde und deren Unterstützung für den Griff nach der Staatsmacht unerlässlich ist. Man darf hoffen, dass es der AfD nicht gelingt, sich auch diesen Spagat noch zu erschwindeln. Sie würde ungleich gefährlicher. Die Liste der Großspendenempfänger führt sie im diesjährigen Bundestagswahl schon mal an.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Bollwerk gegen die Arbeiterklasse: CSU-Parteichef und bayerische...
    10.02.2025

    Union bleibt unbeirrt

    Bayern: Parteitag der CSU zur Bundestagswahl. Kanzlerkandidat Merz bekräftigt autoritären Kurs