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Aus: Ausgabe vom 19.02.2025, Seite 4 / Inland
5 Jahre Hanau-Attentat

Sagt ihre Namen

Fehlende Aufklärung und Aufarbeitung auch fünf Jahre nach rassistischem Anschlag in Hanau
Von Annuschka Eckhardt
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»Erinnern heißt Verändern!«: Kundgebung in der Innenstadt von Hanau (15.2.2025)

Fünf Jahre Trauer und Gedenken an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov. An diesem Mittwoch jährt sich der Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau. Damals hatte der Rassist Tobias Rathjen in Hanau neun Menschen migrantischer Herkunft ermordet, anschließend erschoss er seine Mutter und sich selbst. »Seit fünf Jahren sagen wir ihre Namen, seit fünf Jahren fordern wir Gerechtigkeit und Aufklärung«, gab die Initiative 19. Februar auf ihrer Website zum fünften Jahrestag des Anschlags bekannt.

»Ohne Konsequenzen gibt es keine Gerechtigkeit. Behördenversagen, mangelnde Aufklärung und ausbleibende Konsequenzen zeigen, dass es weitergehen muss«, erklärte die Initiative weiter. Zu den behördlichen Versäumnissen, die Angehörige der Ermordeten und Unterstützer anprangern, zählen der damals nicht funktionierende Notruf, der verschlossene Notausgang in der Arena-Bar und die Täter-Opfer-Umkehr bei den Ermittlungen.

Polizisten hatten Überlebende des Anschlags zu Fuß zum nächsten Polizeirevier geschickt, obwohl der Täter noch in der Stadt unterwegs gewesen war. Ein SEK-Einsatz im Haus des Täters erfolgte erst fünf Stunden nach der Tat, obwohl Beamte das Auto des Täters zu dem Zeitpunkt bereits identifiziert hatten. Sie »überhörten« währenddessen die drei abgefeuerten Schüsse, mit denen Rathjen seine Mutter und sich selbst tötete. Rathjens Vater schikanierte und bedrohte Familienmitglieder der Getöteten jahrelang. Bis heute ringen die Angehörigen um eine Aufarbeitung des behördlichen Versagens.

Im Januar hatte Niculescu Păun, Vater des Opfers Vili Viorel, erneut Anzeige gegen drei leitende Polizeibeamte in Hessen erstattet. Vili-Viorel hatte an jenem Abend in Hanau mehrfach versucht, die 110 zu erreichen. Sein Notruf kam nicht durch. Beim Versuch, dem Täter zu folgen, wurde er in seinem Auto ermordet. Durch die Aufarbeitung der Initiative 19. Februar wurde klar, dass der Notruf schon jahrelang nicht richtig funktioniert haben soll.

Auch der parlamentarische Untersu­chungs­ausschuss im Hessischen Landtag zu Hanau kam nur durch den öffentlichen Druck der Angehörigen zustande. Die öffentlichen Sitzungen begannen im Dezember 2021 und endeten im Juli 2023. Die zentralen Punkte des behördlichen Versagens wurden bestätigt, doch viele offene Fragen blieben unbeantwortet. Niemand übernahm die politische Verantwortung, es gab keine personellen Konsequenzen und keinen Abschlussbericht.

»Sie dürfen niemals in Vergessenheit geraten, und der Tag darf niemals in Vergessenheit geraten«, betonte der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), wie dpa am Dienstag berichtete. »Die jüngsten Anschläge von Magdeburg und Aschaffenburg stecken auch mir in den Knochen«, führte er fort. Unklar, warum er den rassistischen Anschlag in Hanau mit den für antimigrantische Hetze im Wahlkampf benutzten Attacken verglich.

Anlässlich des fünften Gedenktages finden an diesem Mittwoch in vielen Städten Aktionen und Demonstrationen unter dem Motto »Say their names« statt. Wie die zahlreichen rassistischen Angriffe der vergangenen Jahre zeigen, ist die Bundesrepublik kein sicherer Ort für migrantisierte Personen.

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