Rebellen rücken vor
Von Bernard Schmid
In der Demokratischen Republik (DR) Kongo ist die nächste Großstadt in die Hände der Miliz »M 23« und der mit ihr zusammen vorrückenden Armee des Nachbarlandes Ruanda gefallen. Ende Januar war es Goma, das Administrativzentrum der Provinz Nordkivu, am Sonntag Bukavu, die Hauptstadt Südkivus. Während die BBC berichtete, ein Teil der Einwohner habe den einmarschierenden Rebellen applaudiert, verbarrikadieren sich Jeune Afrique zufolge viele Menschen zu Hause und wagen sich nicht mehr auf die Straße. 10.000 bis 15.000 Flüchtlinge trafen laut Reuters im Nachbarland Burundi ein. Insgesamt sind in den vergangenen Monaten rund 700.000 Menschen vor den Kampfhandlungen geflohen, viele innerhalb Ostkongos.
Das UN-Büro für Menschenrechte berichtete am Dienstag auf einer Pressekonferenz von Übergriffen und Greueltaten. Drei rund 15jährige Heranwachsende seien demnach von Milizionären der »M 23« getötet worden, nachdem sie liegengelassene Waffen in einem aufgegebenen Armeecamp aufgelesen hätten. Auch seien bei der Einnahme von Goma in der Nacht vom 26. zum 27. Januar im Gefängnis von Muzenze zahlreiche Frauen von »M 23«-Kombattanten vergewaltigt worden. Die UN-Truppe für die DR Kongo, Monusco, spricht davon, 100 der Frauen seien darauf lebendig verbrannt worden, was die französische Zeitschrift Marianne allerdings unter Berufung auf anderslautende Zeugenaussagen bestreitet.
Belgien hat sich im Rahmen der EU dafür ausgesprochen, Sanktionen über Ruanda als Aggressor im Ostkongo zu verhängen. Daraufhin brach Kigali am Dienstag die Entwicklungszusammenarbeit mit der früheren Kolonialmacht sowohl im Kongo als auch in Ruanda ab. Auf dem 38. Gipfel der Afrikanischen Union am vorigen Wochenende in Addis Abeba war wiederum Burundi das einzige Land, das lautstark Sanktionen gegen seinen Nachbarn Ruanda verlangte. »Aber niemand im Saal reagierte«, berichtete dazu am Montag der Sender RFI, der Kenias früheren Premierminister Raila Odinga dazu mit den Worten zitiert: »Ich möchte nicht darüber reden.«
Dass die Regierung Burundis – das ebenfalls zum belgischen Kolonialreich gehörte, das Ruanda und Burundi nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von Deutschland übernommen hatte –entsprechend Stellung bezieht, war keine Überraschung. In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit im Jahr 1962 wurde Ruanda zunächst von Hutu-Nationalisten, Burundi dagegen von einer Elite aus der Minderheitsbevölkerung der Tutsi regiert. In beiden Ländern kam es 1993 bzw. 1994 zu rassistisch aufgeladenen Konflikten, die in Ruanda zum Völkermord an den dort lebenden Tutsi mit rund 800.000, in Burundi dagegen zu einem mehrjährigen Bürgerkrieg mit rund 300.000 Todesopfern führten.
Heute hat sich die ursprüngliche Konstellation umgekehrt. Die Macht in Kigali liegt in den Händen von Tutsi; im burundischen Gitega dagegen in denen von Hutu-Nationalisten, zu deren politischem Geschäft die Diskriminierung von Tutsi gehört. Vor diesem Hintergrund ist stets damit zu rechnen, dass die Regierenden in Burundi und Ruanda sich gegeneinander positionieren. Burundis Regierung entsandte bislang auch eigene Truppen in den Ostkongo, die auf seiten der Regierungstruppen der DR Kongo kämpften. Allerdings meldeten verschiedene Quellen Anfang dieser Woche im Zusammenhang mit dem Vormarsch der »M 23« und der ruandischen Truppen einen Rückzug der burundischen Armee.
Reuters zitierte am Dienstag nachmittag einen Offizier Burundis mit den Worten: »Die burundischen Truppen ziehen aus der DR Kongo ab. Eine Anzahl von mit Militärs geführten Lastwagen ist seit gestern im Land (d. h. Burundi) eingetroffen.« Die »M 23« dagegen gaben an, nicht alle Burunder seien abgezogen. Ein weiterer ostafrikanischer Staat, Uganda, gab unterdessen bekannt, seine eigenen Truppen hätten im Einverständnis mit örtlichen kongolesischen Regierungsstellen die Stadt Bunia eingenommen, um dort Gewalttaten der »M 23« ein Ende zu setzen.
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