Die Konsequenz bleibt Widerstand
Von Max Grigutsch
Es war der fünfte Jahrestag des Anschlags. In Hanau hat die »Initiative 19. Februar« für Mittwoch zu Friedhofsbesuchen und Gebeten eingeladen, um Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov zu würdigen. Abends fanden bundesweit kleinere und größere Kundgebungen statt. Am 19. Februar hatte der Neonazi Tobias Rathjen die neun Menschen mit Migrationshintergrund aus rassistischen Motiven in Hanau ermordet, bevor er seine Mutter und sich selbst tötete.
In Berlin-Neukölln versammelten sich nach Angaben des »Bündnisses Antirassistischer Kampftag« 13.000 Menschen zu einer Gedenkkundgebung mit anschließender »Kampftagdemonstration« unter dem Aufruf »Die Konsequenz bleibt Widerstand«. Die Polizei will mehr als 5.000 Teilnehmende gezählt haben. Auf Transparenten und in Parolen nahmen Demonstrierende auch Bezug auf den Genozid in Gaza.
Wenig überraschend: Keine Demo mit Palästinabezug bleibt ohne Polizeigewalt. Nach eigenen Angaben waren 500 Beamte im Einsatz. Vom Medienkollektiv Red am späten Mittwoch abend veröffentlichte Videos zeigen, wie Polizisten mit Fäusten auf Demonstrierende einschlugen. Elf Teilnehmer wurden festgenommen. Die Veranstalter sehen die Aggression laut einer Mitteilung im Kontext der »massiven Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung«. Die Gruppe »Migrantifa Berlin« spricht auf jW-Anfrage vom Donnerstag von einem Versuch, das Gedenken an Hanau zu politisieren. »Wir wollen nicht nur gemeinsam trauern, dass ein Anschlag passiert ist, sondern gemeinsam dafür kämpfen, dass kein weiterer passiert.« Das werde gefährdet »vom Staat und seiner Exekutive, wenn sie auf unsere Mitstreiter*innen einprügeln«.
Am Kölner Heumarkt versammelten sich 1.100 Menschen, außerdem gab es drei weitere Demos und Mahnwachen in der Stadt, wie der WDR am Mittwoch berichtete. Auch in Aachen, Duisburg, Hagen, Remscheid und Wuppertal gab es kleinere Veranstaltungen. In Bremen kamen laut dem Regionalmagazin »Buten un binnen« von Radio Bremen 1.200 Menschen zusammen. Nach Angaben des NDR vom Donnerstag morgen protestierten in Göttingen 650 Leute. Die Augsburger Allgemeine meldete am Mittwoch abend 300 Demonstrierende in Augsburg sowie ein »massives Polizeiaufgebot«.
Zuvor hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mittwoch mittag auf einer zentralen Gedenkveranstaltung mit 400 geladenen Gästen die Morde als einen Anschlag auf die liberale Demokratie gewertet. Die Hinterbliebenen richteten ihre Kritik hingegen an die Stadt Hanau und die BRD insgesamt. Beide »schulden mir ein Leben«, sagte Emis Gürbüz, Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, unter anderem mit Verweis auf den Notausgang der Arena-Bar, der auf Geheiß der Stadt verriegelt worden war und so die Flucht vor dem Attentäter verunmöglicht hatte. Der Staat sei kein »Unschuldslamm«, seit 40 Jahren unternehme er nichts Wirksames gegen rechte Morde. »Ich akzeptiere keine Entschuldigung«, erklärte Emis Gürbüz.
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