Der grüne Traum der Guaqueros
Von Oscar EspinosaWenige Kilometer hinter Chiquinquirá, nach einer dreistündigen Busfahrt von Bogotá, verschwindet der Asphalt, und eine staubige und holprige Straße führt uns nach Muzo. Ich befinde mich in Boyacá, dem Herzen Kolumbiens, wo die Revolution und die Unabhängigkeit geschmiedet wurden. Muzo ist eine kleine Stadt, die ihren Namen von dem indigenen Stamm hat, der die Gegend vor der Invasion der Spanier bewohnte.
Bekannt als Welthauptstadt des Smaragds, verbirgt sie in ihren Eingeweiden die wertvollsten Edelsteine auf dem internationalen Markt. Ein Mineral, das der Legende nach in Form von Tränen den Augen der untreuen Göttin Fura nach dem Tod ihres Gefährten Tena entsprang, die beide vom Gott Are in zwei Hügel verwandelt worden waren, die für immer durch den Fluss Minero getrennt sind. Der Ort wird von 10.000 Menschen bewohnt, von denen 80 Prozent noch immer von der Ausbeutung dieses Berylls – eines farblosen Minerals, das ohne das Chrom, das ihm seine grüne Farbe verleiht, nicht soviel Charme und Wert besitzen würde – leben. Jahrzehntelang war es eine Pilgerstätte für Tausende von Kolumbianern auf der Suche nach einem Glücksfall, der sie reich machen würde.
In den meisten Fällen geht der grüne Traum der Guaqueros – der informellen Bergleute – nicht in Erfüllung. Einige Glückliche haben ein paar Morralla – nicht kristallisierte Smaragde oder sogenannte Bastardsteine – in der Hand, deren Verkauf gerade einmal für ein bescheidenes Kleidungsstück und einen Teller Bohnen reicht. Im schlimmsten Fall ist der Stein beim Fund bereits verpfändet, denn es gibt Händler, die den Schürfern Geld für Kleidung, Essen und Werkzeug leihen, wenn sie versprechen, ihnen die Smaragde zu verkaufen, wenn sie sie finden. Es scheint klar, dass der Traum der Guaqueros zwischen Hunger und Elend verblasst, unfähig, die Obsession aufzugeben.
Die Landschaft ist trostlos, kaum hundert Menschen halten unter der Sonne aus, graben und schaufeln Erde, leben von kleinen Steinen, die kaum sichtbar sind. Die Guaqueros leben in behelfsmäßigen Siedlungen auf den Hügeln, die sich an den Ufern des Minero erheben. In Holzhäusern ohne fließendes Wasser. Da sie offiziell zu keiner Gemeinde gehören, sind die lokalen Verwaltungen weder für sie noch für ihre Lebensbedingungen verantwortlich. Hinzu kommt, dass die Bergbauunternehmen vor etwa zwei Jahrzehnten den Tagebau aufgegeben und ihre Abbausysteme modernisiert haben, was Kolumbien zum zweitgrößten Smaragdförderland nach Sambia machte. Die schwerwiegendsten Folgen der Umstellung des Bergbausystems haben jedoch die Guaqueros zu tragen, da die Menge der in den Fluss geworfenen Minenabfälle zurückgegangen ist.
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