Trumps Vernunft und Baerbocks Wahn
Von Arnold Schölzel
Jörg Baberowski ist seit 2002 Professor für die Geschichte Osteuropas an der Berliner Humboldt-Universität, schrieb mehrere antikommunistische Publikationen über die UdSSR, wurde von Studenten des öfteren als rechtsradikal bezeichnet und äußert sich vor allem seit 2022 zum Ukraine-Krieg anders als der bundesdeutsche Mainstream: als Pragmatiker aus konservativer Perspektive.
Am Donnerstag veröffentlichte Springers Welt ein Interview mit ihm unter der Schlagzeile: »Trumps Initiative ist vernünftig«. Er erläutert: »Was daraus wird, wissen wir nicht. Aber ich begrüße, dass einer, der auch kann, was er will, die Initiative ergreift, diesen schrecklichen Krieg zu beenden. Denn es ist offenkundig geworden, dass Russland zwar nicht gewinnen, aber auch nicht verlieren wird, jeder weitere Tote einer zuviel ist.« Der Aussage, »ohne Russland wird es keine dauerhafte Friedensordnung geben«, die gemeinhin hierzulande von CDU/CSU bis Die Linke zur Bezeichnung »Putin-Agent« oder »Kremlpartei« führt, lässt er folgen: »Deshalb muss sie so beschaffen sein, dass Russland das Interesse an Expansion verliert. Der Einsatz von Waffen allein wird dieses Werk nicht vollbringen, denn Russland wird sich nur von innen verändern können.« Ohne die Beendigung des Krieges werde das nicht möglich sein. Gelinge es Trump, »ihn wenigstens einzufrieren, dann hätte die Diplomatie wieder eine Chance«.
Bei einer Niederlage werde Russland nicht verschwinden, »mit einem Akt der Revanche wäre täglich zu rechnen«. Diese Realität sollten Politiker zur Kenntnis nehmen. Baberowski setzt dem so ausgesprochenen staatsbürgerlichen Zweifel hinzu: »Bisweilen ist auch zu hören, dass es darum gehe, Europas Demokratien vor russischer Expansion zu schützen. Aber welches Interesse könnte Putin daran haben, Deutschland anzugreifen? Davon abgesehen, hat sich die russische Armee als Papiertiger erwiesen. Sie wäre einem Krieg gegen die NATO überhaupt nicht gewachsen.«
Da beharrt der offenbar irritierte Welt-Interviewer darauf, dass es doch nicht abwegig sei, wenn sich die baltischen Republiken und Polen als potentielle »Opfer des russischen Expansionismus« betrachten. Baberowski: »Nichts hält sich hartnäckiger am Leben als der Glaube«, dass Politiker Entscheidungen »aus Überzeugungen schöpfen. Das trifft nicht einmal für die Bundesregierung zu. Politik ist ein pragmatisches Geschäft von Möglichkeiten.« Putin glaube an gar nichts und auch bei seinem Rückgriff auf russische Geschichte gehe es »nur darum, zu rechtfertigen, was man tut«.
Werde Russland jemals wieder für den Westen ein Partner sein? Antwort: Zur Wahrheit gehöre, »dass Europa an Bedeutung und Einfluss verloren hat. Die Hegemonie des Westens ist Geschichte, die USA orientieren sich neu. Putin weiß, dass er zwar Trump, nicht aber die Europäer ernst nehmen muss.« Andere Staaten wie China, Indien, Indonesien, Brasilien spielten eine bedeutende Rolle, »Putins Reich wird Juniorpartner dieser Staaten sein«. Im übrigen werde man sich nach Kriegsende »hoffentlich nicht nur in Russland, sondern auch im Westen Europas und in den USA die Frage stellen, warum dieser Krieg nicht eher beendet werden konnte, und hoffentlich auch eine selbstkritische Antwort finden«.
Noch am Erscheinungstag des Interviews kommt in der »Schlussrunde« von ARD und ZDF ein Nein dazu von Annalena Baerbock: Wenn Russland in der Ukraine nichts entgegengesetzt werde, »dann kommt Polen und dann kommt Ostdeutschland, zum Beispiel Brandenburg«. Es dauert noch, bis die gefährliche deutsche Kriegsmanie an Bedeutung und Einfluss verliert. Fest steht allein, dass sie an diesem Sonntag nicht abgewählt wird.
Zur Wahrheit gehöre, »dass Europa an Bedeutung und Einfluss verloren hat. Die Hegemonie des Westens ist Geschichte, die USA orientieren sich neu. Putin weiß, dass er zwar Trump, nicht aber die Europäer ernst nehmen muss.«
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von AG (22. Februar 2025 um 14:02 Uhr)Ein solcher Baberowski ist eine Nachricht wert. Aber Böcke wie dieser stehen stellvertretend für die gesamte deutsche Forschungsgemeinschaft, ob rechtsradikal oder nicht: »Davon abgesehen, hat sich die russische Armee als Papiertiger erwiesen. Sie wäre einem Krieg gegen die NATO überhaupt nicht gewachsen.« Nichts ist weiter entfernt von der Realität. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Verhältnis der Toten beider Armeeen 1:10+ beträgt. Was dabei nicht nur von Baberowski vollständig ignoriert wird, ist die Genese dieser AFU – im April 2022 erklärte Selenskij stolz, »seine« Armee umfasse 750T Soldaten. Mit den Panzern, Flugzeugen und der Artillerie und der US-Satellitenaufklärung 24/7 war damit die zweitstärkste Armee der NATO in Europa – nach der türk. Armee – aufgebaut worden. Dieser Krieg ist eine militärische Auseinandersetzung zwischen der Russischen Föderation und der NATO. Und die NATO hat diesen Krieg in einer Weise geführt und verloren, dass einem nur angst und bange werden kann, wenn man das Gerede von Starmer und Co. hört. Woher kriegen die ihre Info? Bzw., wie geübt sind sie im Doppeldenk und Doppelsprech. Denn die Diskrepanz zwischen Dichtung und Wahrheit – und damit sind wir wieder bei Herrn B. – ist von einer historischen Dimension und Unfähigkeit. Eine Fundamentalkritik, die übrigens auch die Greenpeace-Studie zur NATO vom Herbst 2024 trifft. Siehe z. B. Lee Slusher, Exgeheimdienst, aus Washington D.C. »The State of Western Warcraft« 13.1.25 https://deepdivewithleeslusher.substack.com/p/the-state-of-western-warcraft Exkommodore der Royal Navy, Steve Jermy »Right now NATO could not win a war with Russia« 29.1.25 https://responsiblestatecraft.org/nato-war-with-russia/ zum völligen Scheitern der F-35 (mit $2 Bn teuerstes Spielzeug aller Zeiten), William Shryver, Militär-Blogger 20.12.24 »The Weakling Wunderwaffe« https://imetatronink.substack.com/p/the-weakling-wunderwaffe Oder die Forschung von Jacques Baud.
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. Februar 2025 um 21:21 Uhr)Analytische Vernunft trifft auf deutsche außenpolitische Realitätsverweigerung: Arnold Schölzel legt mit seinem Artikel den Finger in die Wunde der deutschen Außenpolitik. Während Jörg Baberowski nüchtern und pragmatisch die geopolitische Realität anerkennt – nämlich, dass Russland weder gewinnen noch verlieren kann und eine diplomatische Lösung notwendig ist –, hält sich die Bundesregierung weiterhin an gefährliche Narrative. Annalena Baerbocks Äußerung, Russland werde nach der Ukraine Polen und Ostdeutschland angreifen, ist nicht nur unrealistisch, sondern zeigt, wie sehr sich deutsche Politik in einer selbstgerechten Kriegsrhetorik verstrickt hat. Statt einer ernsthaften Analyse über die Interessen aller beteiligten Akteure und über die Rolle Europas in einer sich wandelnden Weltordnung, setzt Deutschland auf moralische Überhöhung und Eskalationslogik. Dabei ist längst offensichtlich, dass der Westen an Einfluss verliert und sich die globalen Machtverhältnisse verschieben. Baberowski erkennt das an – Schölzel kontextualisiert es treffend. Es wird Zeit, dass die deutsche Außenpolitik wieder von Vernunft statt von ideologischer Verblendung geprägt wird.
Ähnliche:
- Kay Nietfeld/dpa14.02.2025
Transatlantische Kernschmelze
- Anatolii Stepanov/REUTERS11.02.2025
Werkeln am Waffenstillstand
- Susan Walsh/AP/dpa12.11.2024
Anruf bei Putin
Mehr aus: Wochenendbeilage
-
»Die Garage liegt im toten Winkel der Denkmalpflege«
vom 22.02.2025 -
Scheinrevolution und Terror
vom 22.02.2025 -
Der grüne Traum der Guaqueros
vom 22.02.2025 -
Der Robert mit den Klößen
vom 22.02.2025 -
Nonnenfürzle
vom 22.02.2025 -
Kreuzworträtsel
vom 22.02.2025