Widerstand für Widerstände
Von Susanne Knütter
Dieses Jahr feiert Knorr-Bremse (KB) 120 Jahre Firmenbestehen. Eine Tochterfirma, die noch ein Jahr älter ist, stampft der Weltmarktführer für Bremssysteme ein. Kürzlich haben die 65 Beschäftigten von Heine Resistors in Dresden per Pressemitteilung davon erfahren, dass die Produktion eingestellt werden soll. In dem ostdeutschen Traditionsbetrieb werden elektronische Widerstände für den Industrie- und Bahnbereich hergestellt. 1972 verstaatlicht, wurde der Betrieb nach dem Ende der DDR reprivatisiert und gehört seit 2012 zu Knorr-Bremse. Jetzt soll die komplette Produktion des Werks nach Polen verlagert werden. 42 Beschäftigte würden dadurch direkt ihren Job verlieren. Weitere Arbeitsplätze in der Region wären betroffen.
Der milliardenschwere Konzern »ist bekannt dafür, Tarifflucht zu begehen und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern«, erklärte die IG Metall am 20. Februar. Trotz Ankündigung im Jahr 2023, die 42-Stunden-Woche abzuschaffen, sei das bei den meisten Beschäftigten von Knorr-Bremse immer noch die Standardarbeitszeit. Auch Weihnachts- und Urlaubsgeld sind nach wie vor ein Fremdwort, wie IG-Metall-Sekretär Tobias Salin am Donnerstag gegenüber jW erläuterte.
Gleichzeitig oder, das ist naheliegend, auch wegen dieser Arbeitsbedingungen steht Knorr-Bremse im Gegensatz zu anderen Zulieferern gut da. Knorr-Bremse ist laut IG Metall als einziges Großunternehmen in der Metall- und Elektroindustrie im MDAX nicht tarifgebunden. Im vorigen Jahr erzielte der Konzern einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro und einen Überschuss (»Free Cashflow«) von 730 Millionen Euro. Dieses Jahr strebt er noch mehr an. »Knorr-Bremse geht es wirtschaftlich richtig gut, und auch der Dresdner Standort schreibt deutlich schwarze Zahlen«, so Gewerkschafter Salin. Aber KB wolle noch profitabler werden.
Die Kolleginnen und Kollegen wollen das nun nicht länger hinnehmen. In den letzten Wochen sind sie nach Angaben der IG Metall mehrheitlich in die Gewerkschaft eingetreten. Und die Belegschaft hält auch konzernübergreifend zusammen. Das muss sie auch. Neben Heine Resistors in Dresden sind die Kollegen weiterer Standorte von Streichungen bedroht, so etwa bei KB oder Tochterfirmen in München, Aldersbach, Düsseldorf und Schwieberdingen.
Dass der Widerstand gelingen kann, zeigten zum Beispiel Berliner Kollegen von Knorr-Bremse und der Tochter Hasse & Wrede. 2017 wehrten sie eine Verlagerung der Produktion nach Tschechien ab. Aber auch sie befürchten, jetzt wieder »auf dem Zettel« zu stehen. »Die entscheidende Beraterfirma war gerade wieder in Berlin im Unternehmen unterwegs. Und das bedeutet nichts Gutes«, erklärte ein Berliner Kollege von Knorr-Bremse bei einer aktiven Mittagspause bei Heine Resistors in Dresden am 20. Februar.
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