Dyskalkulie
Von Felix Bartels
Nach einer Wahl wird kaum weniger gelogen als davor. Entsprechend schwungvoll nahm sich denn auch Wagenknechts Auftritt am Montag aus, sie hatte eine Niederlage zu erklären, und Schuld war so ziemlich alles außer der Inhalt. Über die Zukunft des BSW wurde kaum geredet. Es lässt sich vermuten, dass Die Linke weiter gen Mitte rücken wird. Sie hat maßgeblich vom Abfluss aus SPD und Grünen profitiert, das Kalkül der linksliberalen Fraktion ist aufgegangen. Links der Linken also dürfte sich eine Leerstelle bilden, die das BSW aufgrund seiner Vermengung linker und rechter Positionen kaum füllen wird können. Kein Grund zum Feiern, vielmehr bedauerlich für alle, denen es (auch innerhalb des BSW) mit der Konstitution einer echten Klientelpartei der Arbeiterklasse ernst war.
Anstatt sich nun zu fragen, wie das Bündnis inhaltlich neu aufzustellen sei, beeindruckte Wagenknecht vor allem mit Rechenschwäche. Schuld seien – neben der Ungunst des Momentums – vor allem falsche Umfragen gewesen, die Wähler beeinflusst haben sollen. Genauer wusste sie eine Umfrage zu nennen, angeblich publiziert am Tag der Wahl, das Bündnis habe dort mit drei Prozent abgeschnitten. Die übrigen mit vier oder fünf Prozent scheinen nach Wagenknechts Auffassung keinen Einfluss gehabt zu haben. Rechnet man die jeweils letzte Erhebung der acht großen Institute zusammen, lag das BSW im Schnitt bei 4,43, also 0,54 unter dem Wahlergebnis. Die Linke kam auf 6,88, also 1,9 unter ihrem Ergebnis. Für Wagenknecht eine unfassbare Bevorteilung der Linken gegenüber dem BSW.
Weswegen man jetzt überlegt, eine partielle Nachwahl zu erwirken, was unabhängig von juristischen Fragen auch arithmetisch absurd scheint. Es geht um 230.000 Wähler im Ausland, die keine Unterlagen erhalten hatten. Bloß müsste das BSW bei denen nicht lediglich die fünf Prozent erreichen, sondern die fehlenden 13.400 Stimmen aufholen. Unterstellt man dieselbe Beteiligung von 82,5 Prozent, müsste es 8,3 Prozent dieser Stimmen holen, um die Fünfprozenthürde doch noch zu knacken.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (3. März 2025 um 10:41 Uhr)Formal juristisch war und ist das BSW eine zur Bundestagswahl 2025 zugelassene Partei wie jede der übrigen auch. Wahrgenommen wurde diese jedoch vermutlich von immer mehr Menschen zunehmend als ein Sahra-Wagenknecht-Fanclub, da sich alles, ähnlich wie in einer Sekte, um sie als die zentrale Lichtgestalt zu drehen schien. Die Halbwertzeiten von »Lichtgestalten« – zumindest, solange sie noch im Diesseits »leuchten« – ist jedoch mitunter recht begrenzt. Ein ähnliches Phänomen am rechten Rand des Parteienspektrums der BRD gab es schon mal von 2000 bis 2007 mit der »Schill-Partei«.
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Leserbrief von Silke B. aus Hamburg (5. März 2025 um 12:01 Uhr)Zitat: »Wahrgenommen wurde diese (Partei BSW) jedoch vermutlich von immer mehr Menschen zunehmend als ein Sahra-Wagenknecht-Fanclub, da sich alles, ähnlich wie in einer Sekte, um sie als die zentrale Lichtgestalt zu drehen schien.« Wenn die Partei nur noch so wahrgenommen wurde, dann deshalb, weil viele Medien genau das befördern wollten und die Inhalte der Partei nicht mehr dargestellt haben, sondern lieber jede Sache, die man zur Schmähung des BSW heranziehen konnte, umgedeutet und gegen es benutzt hat. Das für mich verständliche Bedürfnis, die neue Partei vor Unterwanderung zu schützen, wurde z. B. benutzt, um das BSW zu einer »Kader-Partei« zu erklären. Und Sie scheinen auf dieser Welle mitzureiten. Mir allerdings wäre eine Kader-Partei lieber als eine von Antideutschen unterwanderte Linkspartei. Wenn ich auch lange nicht mit allen Inhalten des BSW einverstanden bin: Es ist die einzige für mich wählbare Partei, die einen eindeutigen Antikriegskurs hat und eine Aufarbeitung der Coronazeit fordert (was ich beides als für mich wahlentscheidend sah), die auch nur annähernd die Chance hatte, in den Bundestag einzuziehen.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (5. März 2025 um 14:41 Uhr)Von »nur noch so wahrgenommen« habe ich nicht gesprochen, sondern lediglich von »zunehmend«. – Also bitte keine Missinterpretationen! Inhaltlich stimme ich mit ihrer politischen Bewertung des BSW völlig überein.
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Leserbrief von Silke B. aus Hamburg (2. März 2025 um 18:18 Uhr)Dass ganze Wohnblöcke ebenfalls ihre Wahlbenachrichtigung nicht bekommen haben, wusste ich noch nicht. Aber AUCH jemand aus meiner Nachbarschaft bekam seine Wahlunterlagen nicht – er war taff genug, trotzdem wählen zu gehen und im Wahlregister war er aufgeführt. Ich werde das weiter beobachten und herumfragen. Insbesondere Erstwähler – egal wie alt – könnte eine nichtangekommene Wahlbenachrichtigung vom Wählen abgehalten haben. Wenn das vielfach geschehen ist, wäre das Wahlbehindernd und eine Neuwahl wäre angesagt. Sowieso habe ich noch nie so eine schlimme mediale Zeit vor und während des Wahlkampfes erlebt. Jede kleine Geschichte, die man zu einer Schmutzkampagne gegen das BSW hochstilisieren konnte, wurde von den meisten Medien genutzt. Ansonsten wurde das BSW überwiegend totgeschwiegen. Spätestens seit dem Sieg zur Europa-Wahl des BSW wurde offen klar, wer zur Zeit der Hauptfeind ist: Nicht etwa die AFD war ihr Feind Nummer eins – im Gegenteil, die AFD wurde hofiert, sondern das BSW wurde offenbar zum Staatsfeind Nummer eins auserkoren und von da an sah man S. Wagenknecht z. B. im TV praktisch nicht mehr – außer für Schmutzkampagnen. Sogar die Grünen und die SPD, deren Kriegspolitik ich schon hasste, begannen mir langsam leidzutun – und ist ja klar, dass es mit der CDU nur noch schlimmer werden kann – denn auch hier verhielten sich die Medien, vor allem das TV, keinesfalls neutral – sondern hetzten auch gegen SPD und Grüne. Die Medien haben klar im Grunde sowohl Wahlkampf für CDU als auch die AFD betrieben, von einer neutralen Berichterstattung in den Monaten vor der Wahl kann keine Rede sein. Wenn hier jetzt in einer Antwort auf unter mir stehenden Kommentar Vergleiche von BSW zu der Trump-Anhängerschaft gezogen werden, finde ich das einfach nur noch unterirdisch. Vergleiche zu AFD oder nun Trump (auch von Teilen der Linkspartei selbst!) haben m. E. nur immer zu Stärkung der AFD und zur Schwächung der Linken selbst und Wagenknecht-Flügel/BSW geführt.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (1. März 2025 um 05:24 Uhr)»Weswegen man jetzt überlegt, eine partielle Nachwahl zu erwirken, was unabhängig von juristischen Fragen auch arithmetisch absurd scheint. Es geht um 230.000 Wähler im Ausland, die keine Unterlagen erhalten hatten. Bloß müsste das BSW bei denen nicht lediglich die fünf Prozent erreichen, sondern die fehlenden 13.400 Stimmen aufholen. Unterstellt man dieselbe Beteiligung von 82,5 Prozent, müsste es 8,3 Prozent dieser Stimmen holen, um die Fünfprozenthürde doch noch zu knacken.« So absurd wäre eine Anfechtung nun auch wieder nicht. Hier wird überhaupt nicht erwähnt, dass es zahlreiche Meldungen gibt, dass Stimmen des BSW dem »Bündnis für Deutschland« versehentlich oder absichtlich zugeschrieben wurden. Da sind schon recht viele Beschwerden eingegangen, u. a. von BSW-Wählern, die in ihrem Wahlkreis dann mit Erstaunen das Ergebnis von null Stimmen für BSW veröffentlicht sahen. Nach Rückerstattung dieser Wählerstimmen bzw. Neuauszählung müssten dann die Auslandsdeutschen keineswegs mehr 8,3 Prozent für BSW erbringen. Zweitens leben ja Auslandsdeutsche häufig gerade aus dem Grunde dort, weil ihnen das bisherige politische Klima in Deutschland nicht behagt. Der Stimmanteil für Mainstreamparteien wird daher dort wesentlich geringer ausfallen als im Bundesdurchschnitt. Ich hätte z.B. BSW gewählt, wenn die Zusendung von Wahlunterlagen von Deutschland nach Sibirien und zurück nicht hoffnungslos gewesen wäre. Allein in Russland leben viele Tausende Auslandsdeutsche. Die wurden von der Wahl ebenso ausgeschlossen wie die in Russland lebenden Moldawier bei ihrer vorigen Wahl. Es tut mir leid, es sagen zu müssen: Allein durch den Ausschluss der in Russland lebenden Bürger Moldawiens und Deutschlands wurden beide Wahlergebnisse gefälscht und sind im Prinzip als ungültig zu betrachten.
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Leserbrief von Ilka Müller aus Bremen (4. März 2025 um 20:27 Uhr)Ich stimme Ihnen zu. Es gab einige Ungereimtheiten bei der Benachrichtigung und Auszählung der Stimmen. Und das BSW hätte, wie jede andere Partei, das Recht, die Ergebnisse anzufechten. Was mich persönlich am meisten bewegt, ist der Fakt, dass Inhalte von Wahlprogrammen und Ziele, für die z. B. das BSW eintreten, für die meisten Wähler offensichtlich nicht wahlentscheidend waren und leider im Vorfeld der Wahlen auch in der jungen Welt weniger thematisiert wurden als die »Skandale« in Hamburg bzw. Thüringen, worüber hier öfter als über Inhalte berichtet wurde, wenn auch im Ton zurückhaltender als in den »Leitdmedien«. Wer seine Berichterstattung danach ausrichtet, hat m. E. nach den Ernst der Lage nicht verstanden, genau so wenig wie die fast 60 Prozent der Wähler, die wieder die Parteien wählten, die seit 30 Jahren die Karre immer mehr in Richtung Abgrund schieben. Ilka Müller, Bremen
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Leserbrief von Wolfgang Kunze aus Schwerin (28. Februar 2025 um 17:28 Uhr)Dass die Medien und alle Altparteien gegen das BSW agiert haben, ist inzwischen unstrittig. Und dass tagelang vor dem Wahltermin die z. T. unterschiedlichen Umfrageergebnisse über alle Sender gehen auch. Warum wohl? Parteien, die dabei knapp an der Fünfprozenthürde erscheinen, sollen als nicht wählbar gemeldet werden, damit die »verlorene« Stimme lieber einer anderen Partei gegeben wird. Das nenne ich indirekte Wahlbeeinflussung. Herr Siegmar Gabriel, Atlantiker, hat es ausgesprochen: Ihm sei es lieber, wenn die Linke in den Bundestag kommt als das BSW, warum wohl? Wochen vor der Wahl galt sie als sterbende Partei. Dann aber wie Phönix aus der Asche auferstanden und die Friedensfrage weitestgehend aus dem Wahlkampf herausgehalten, genau wie die anderen Parteien auch. Einfach ein bisschen besser angepasst?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Klaus W. (28. Februar 2025 um 11:44 Uhr)Evtl. muss auch die ganze Wahl wiederholt werden. Es gab ja noch mehr Probleme außer bei den Auslandswählern. Ganze Wohnblöcke haben keine Wahlbenachrichtigungen bekommen …
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (28. Februar 2025 um 12:37 Uhr)Das BSW auf Trumps Spuren? Müssen wir einen Sturm auf den Reichstag befürchten?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (28. Februar 2025 um 16:21 Uhr)Da gibt es aber einen kleinen Unterschied! Der Wahltermin wurde auf Druck gewisser Parteien aus wahltaktischen Gründen auf den 23.2.2025 gelegt. Soweit ich mich erinnere, hat die Bundeswahlleiterin Befürchtungen zur Rechtssicherheit bei diesem Termin geäußert.
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Leserbrief von Silke B. aus Hamburg (2. März 2025 um 18:41 Uhr)Zur Bundeswahlleiterin: Meine schriftliche Beschwerde über die Kürze und daher Unfairness der Wahlkampfzeit und meine Bitte, die Wahl mindestens auf das ursprünglich von Scholz vorgeschlagene Neuwahldatum zu legen, wurde von der Bundeswahlleitung abgewiegelt. Alles sei in rechtlichem Rahmen und daher auch in Ordnung. Soviel mal zur Kritik der Wahlleitung an dem superfrühen Neuwahltermin! Den Gründen der Wahltaktik stimme ich zu – und manchmal gewinne ich den Eindruck, da haben sich die kriegslüsternen Parteien nur gegenseitig die Bälle zugespielt. Wer in der Stimmung der Bevölkerung absteigt, wirft dem nächsten den Ball zu. Sicher bin ich da allerdings nicht.
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