Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 05.03.2025, Seite 5 / Inland
Rüstungsmilliarden

Die Kette etwas lockern

Reformieren, um die Konstruktion zu retten: Bundesbank mit neuen Ideen zur »Schuldenbremse«
Von Nico Popp
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Mehr »Spielraum«, aber keine »Wahlgeschenke«: Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main (19.2.2024)

Das Programm der noch nicht einmal gebildeten neuen Bundesregierung ist es, in Kooperation mit der noch amtierenden Resteampel kurzfristig Milliardensummen für ein spektakuläres Aufrüstungsprogramm zu mobilisieren. Friedrich Merz hat sich inzwischen, so scheint es, gegen eine zunächst noch erwogene »Reform« der sogenannten Schuldenbremse entschieden; statt dessen soll das Geld über sogenannte Sondervermögen beschafft werden. In dieser Debatte meldet sich nun auch die Bundesbank mit einem Plädoyer für eine reformierte »Schuldenbremse« zu Wort. Aus einem Papier der Zentralbank zitierte am Dienstag unter anderem dpa.

In der Hauptsache schlägt die Bundesbank vor, die Verschuldungsspielräume großzügiger zu bemessen, diese neuen Spielräume aber »zum guten Teil für zusätzliche Sachinvestitionen« zu reservieren. Aktuell darf die jährliche Neuverschuldung 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Die Bundesbank bekundet nun, dass es »stabilitätspolitisch« vertretbar sei, die Grenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes auf bis zu 1,4 Prozent des BIP anzuheben – falls die Staatsverschuldung unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Liegt sie darüber, soll die Grenze bei 0,9 Prozent des BIP gezogen werden. Im günstigsten Fall kann laut Berechnung der Bundesbank der Staat so bis 2030 den Verschuldungsspielraum um rund 220 Milliarden Euro erhöhen.

Die Intervention signalisiert eine wachsende Unzufriedenheit im Lager des harten Neoliberalismus mit dem Verlauf der aktuellen Diskussion. Dort wittert man offensichtlich die Gefahr, dass die 2009 in der Hochphase der neoliberalen Hegemonie ins Grundgesetz gedrückte »Schuldenbremse« zwar nominell weiter Bestand hat, faktisch aber je nach Bedarf auf dem Wege der Sondervermögen beiseite geschoben wird, wenn sich politische Mehrheiten dafür finden. Dann doch lieber die Schuldenbremse etwas lockern, um sie in der Substanz zu erhalten – das ist ganz offensichtlich die Überlegung. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel betonte erst Anfang vergangener Woche, es sei wichtig, dass »die Schuldenbremse als Stabilitätsinstrument verankert« bleibe.

Eine »stabilitätsorientierte Reform der Schuldenbremse« auf dieser Linie forderte am Dienstag auch die »Wirtschaftsweise« Monika Schnitzer in der Rheinischen Post. Die soll auch sicherstellen, »dass die Kredite nicht für Wahlgeschenke genutzt werden« – im Klartext: für Ausgaben im sozialen Bereich. Während Schnitzer allerdings signalisierte, vorerst mit einem Sondervermögen zur Stärkung der »Verteidigungsbereitschaft« leben zu können, rezitierte die ebenfalls zum Kreis der »Wirtschaftsweisen« zählende Veronika Grimm via Bild unverdrossen neoliberale Glaubenssätze: Die Ampel habe bewiesen, »dass Subventionen auf der Basis von Schulden nicht funktionieren, dass der Staat schlecht darin ist, mit dem Geld das Richtige anzufahren«. Die Pläne für die Sondervermögen klingen für sie »mehr nach Satire als nach einem ernsthaften Vorschlag«.

Derweil forderten am Dienstag in einem gemeinsamen Appell Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände, eine »Reform« der Schuldenbremse in einen neuen Koalitionsvertrag aufzunehmen, um so Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft und Infrastruktur sowie in soziale Sicherheit zu ermöglichen. »Deutschland lebt nicht über seine finanziellen Verhältnisse, sondern unter seinen Möglichkeiten«, heißt es in dem Aufruf.

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