Trump sanktioniert Kiew
Von Reinhard Lauterbach
Aller erwartbaren Hysterie in den deutschen und europäischen Leitmedien zum Trotz: Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die Waffenlieferungen seines Landes an die Ukraine auszusetzen, bedeutet nicht, dass Trump »auf die Seite Putins gewechselt« sei. Betroffen von dem Lieferstopp sind Rüstungsmaterialien im Wert von etwa einer Milliarde US-Dollar – ein kleiner Teil dessen, was die USA bisher schon alles an die Ukraine geliefert haben, und ein Sechstel von dem, was Trumps Vorgänger Joe Biden noch kurz vor dem Verlassen des Weißen Hauses auf den Weg gebracht hatte. Praktisch auswirken wird sich der Lieferstopp an der Front erst in einigen Monaten. Und etwas, was sehr kurzfristig Wirkung erzielen würde, wurde von Trump genau nicht verfügt: ein Abbruch der Versorgung der Ukraine mit Zielaufklärungsdaten und Satellitenverbindungen. Es ist also drastisch übertrieben zu unterstellen, Trump stoße der Ukraine den Dolch in den Rücken; was er getan hat, ist, der Ukraine den Dolch zu zeigen.
Der Lieferstopp ist trotzdem etwas, woran sich Kiew und die auf dessen »bedingungslose Unterstützung« eingeschworenen Politiker Westeuropas erst einmal gewöhnen müssen: Er ist eine Sanktion im Sinne der klassischen Begründung der Sanktionen gegen Russland, mit dem Ziel, eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Diesmal aber nicht eine des bösen Wladimir Putin, sondern des guten Wolodimir Selenskij: Er soll nicht mehr wie am vergangenen Freitag an seinem Mantra festhalten, mit Russland könne und dürfe man nicht verhandeln. Trump will verhandeln, und Selenskij soll dem gefälligst nicht im Wege stehen. Trump hat es am Freitag gesagt: Entweder Verhandlungen oder wir sind draußen.
Das stimmt auch nicht so ganz. Trumps Vize J. D. Vance schob schon am Wochenende nach, die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine seien US-amerikanische Wirtschaftsinteressen dort. Im Klartext: Ein Vertrag über die Exklusivrechte an den ukrainischen Rohstoffen, der weiter geht und konkreter ausfällt als das Rahmendokument, das zuletzt zur Debatte stand und beiden Seiten vor allem PR-Effekte geliefert hätte.
Wenn die EU jetzt verspricht, in die von Trump gerissene Bresche zu springen, ist das großspuriges Gerede mit wenig bis nichts dahinter. Für vieles, was die USA eventuell nicht mehr liefern, hat die EU schlicht und einfach keinen Ersatz: etwa die Raketen für die Himars-Werfer. Es sei denn, der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz trifft die Entscheidung, die er als Oppositionsführer öffentlich immer gefordert hat: der Ukraine die aus Kiew geforderten »Taurus«-Marschflugkörper zu liefern. Samt den Bundeswehr-Spezialisten für die Zielprogrammierung. Man kann nur hoffen, dass er im Amt zur Besinnung kommt und »Schaden vom deutschen Volk abwendet«. Für mehr, etwa irgendeinen »Nutzen zu mehren«, reicht es sowieso schon nicht mehr.
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