Olivgrünes Wirtschaftswunder
Von Arnold Schölzel
Auf sechs Seiten rechnet das Handelsblatt am Freitag durch, was die Aufrüstungseinigung von CDU/CSU und SPD für die deutsche Wirtschaftsbilanz bedeutet: Die Pläne könnten in den nächsten zehn Jahren 1,5 Billionen Euro »zusätzlich freisetzen«, das Wachstum ankurbeln und die Gewichte innerhalb der deutschen Industrie verschieben: »Das jetzt geplante Investitionspaket hat das Potential, die deutsche Industrielandschaft für die kommenden Jahrzehnte zu prägen.« Aufrüstung heißt ab sofort in der Regel Investition.
Die Erwartungen sind gewaltig. So geht laut Handelsblatt das Institut der deutschen Wirtschaft davon aus, »dass 150 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben durch die Ausnahme von der Schuldenbremse bereits 2026 realisiert werden« und das Bruttoinlandsprodukt um 5,4 Prozent höher ausfalle. Danach schwinde der Effekt und die Tilgung der Schulden führe »später zu einem leicht negativen Effekt«. Wie immer.
Die vorgesehenen 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur fasst das Handelsblatt mit eher spitzen Fingern an. Die Zeitung zitiert eine Studie, wonach die Summe in den zehn Jahren, in denen sie ausgegeben werden soll, zwar eine »beträchtliche Wachstumswirkung entfalten« kann, langfristig aber nicht. Denn die hohen öffentlichen Ausgaben heizen demnach auch Inflation und Zinsen an. Da müssten eben »schmerzhafte Einschnitte« her, das Dummwort für Streichen und Kürzen. Staatsschulden, schreibt Marx im »Kapital« erfordern »für die Folge erhöhte Steuern«. Überbesteuerung sei kein »Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip«, um Lohnarbeiter unten zu halten.
Da gilt es, Aufstände zu verhindern – mit Gewalt oder durch Propaganda. Bewährt hat sich Nationalismus, nicht nur zur Spaltung jener, denen über Jahrzehnte hinweg eingetrichtert werden muss, dass ihre Hauptfeinde Zuwanderer sind, sondern auch beim Führungspersonal. Das wird mobil, wenn ihm der deutschnationale Kamm schwillt. Die Aussicht auf 1,5 Billionen Euro aus der Staatskasse als Kapital frei Haus hat zumindest im Handelsblatt diesen Effekt. So lauten die Überschriften überm Hauptartikel: »Verraten, verkauft – verloren? US-Präsident Donald Trump kündigt den Westen auf und läuft ins Lager Russlands über. Und Europa? Mobilisiert so viel Geld wie nie. Doch hohe Summen allein werden den Kontinent nicht retten.« Also fragt die Zeitung bang: »Wer in Europa kann jetzt noch guten Gewissens amerikanische Waffensysteme kaufen?« Was keine Realsatire ist, die Handelsblatt-Autoren legen Wert auf Waffen mit Moral. Von der am 10. Juli 2024 nebenbei mitgeteilten Stationierung neuartiger US-Raketen in der Bundesrepublik ist bei ihnen allerdings keine Rede.
Das ist auch nicht nötig, da der Sieg über Russland schon errungen ist. Denn der ist allein eine Frage des Willens. Der Freudenaufsatz endet mit einer Erinnerung an die düstere Konferenz von Jalta 1945, als USA und Sowjetunion »ihre Einflusszonen« festgelegt hätten. Damals habe Europa, sprich Deutschland, sich nicht wehren können, aber: »Heute ist es wehrhaft – Europa muss es nur wollen. Oder, wie der polnische Ministerpräsident Donald Tusk es am Donnerstag auf X formulierte: ›Europa muss bereit sein für den Rüstungswettlauf, dann wird Russland genauso verlieren wie die Sowjetunion vor 40 Jahren.‹«
Die glänzende Zukunft ist also gesichert. Das grüne Wirtschaftswunder, das die Scholz-Regierung 2021 mit Wachstumsraten wie in den 50er und 60er Jahren ankündigte, bremste die Rezession, aber schuld an der war allein der demnächst erneut verlierende Russe. Nun geht es in die Verlängerung. Einer der Handelsblatt-Artikel mit todsicheren Prognosen hat den Titel: »Olivgrünes Wirtschaftswunder«. Ist alles durchgerechnet.
Die glänzende Zukunft ist also gesichert. Das grüne Wirtschaftswunder, das die Scholz-Regierung 2021 mit Wachstumsraten wie in den 50er und 60er Jahren ankündigte, bremste die Rezession, aber schuld an der war allein der demnächst erneut verlierende Russe. Nun geht es in die Verlängerung.
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