Plötzlich für Frieden
Von Reinhard Lauterbach
Vor seiner Abreise zu Gesprächen mit einer US-Regierungsdelegation in Saudi-Arabien hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij betont, er habe schon immer Frieden gewollt. Die Ukraine sei vom ersten Tag an für Frieden gewesen, nur Russland habe den Krieg fortsetzen wollen. Auf US-Seite ließ sich am Sonntag ein anonymer Regierungsbeamter mit der Aussage zitieren, die USA wollten beim Treffen mit einer ukrainischen Delegation am Dienstag in Saudi-Arabien feststellen, zu welchen Zugeständnissen die Ukraine bereit sei. Man könne nicht sagen, man wolle Frieden und gleichzeitig auf den Grenzen von 2014 oder 2022 bestehen. Aus dieser Aussage lässt sich die US-Verhandlungsposition erschließen: Die Ukraine solle territoriale Verluste hinnehmen, die sie ohnehin nicht rückgängig machen könne, und dafür als das im Kern antirussische Projekt, als das sie aus dem Euromaidan hervorgegangen ist, erhalten bleiben. US-Präsident Donald Trump machte deutlich, dass er das Rohstoffabkommen mit Kiew nur für sinnvoll halte, wenn die Ukraine ihren »Friedenswillen« zeige. Das sei bisher nicht im nötigen Maße geschehen, sagte Trump am Sonntag.
Unterdessen drängen russische Truppen die ukrainischen im Kursker Gebiet offenbar weiter zurück. Die ukrainische Seite versucht dem Anschein nach, sich in der Grenzstadt Sudscha festzusetzen, wird aber dort aus mehreren Richtungen angegriffen. Direkte Meldungen aus dem Kampfgebiet gibt es aber kaum. Gleichzeitig weiten russische Truppen offenbar ihren Vorstoß in das angrenzende ukrainische Gebiet Sumy aus, um den Nachschub für die ukrainischen Einheiten im Kursker Gebiet zu unterbinden. Im Donbass haben russische Truppen nach Berichten beider Seiten inzwischen den südlichen Stadtrand von Pokrowsk erreicht und versuchen von mehreren Seiten, ins Zentrum vorzudringen. Das ist erfahrungsgemäß mit höheren Verlusten verbunden und war deshalb nicht der ursprüngliche russische Plan. Ein zu Beginn des Winters eingeleitetes Umfassungsmanöver der Stadt ist aber im ukrainischen Widerstand steckengeblieben.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. März 2025 um 10:18 Uhr)Drei Jahre Krieg haben die ohnehin fragile Ukraine in eine Sackgasse geführt – ohne einfachen Ausweg. Der Kampf gegen die Korruption bleibt erfolglos, und die staatlichen Institutionen arbeiten zunehmend unzuverlässig. Das hat auch militärische Folgen, etwa bei der Mobilisierung. Zudem stützt sich Präsident Selenskyj auf einen kleinen Kreis von Vertrauten, die im Krieg enorme Macht angehäuft haben. Sie zu entmachten, ist ohne Wahlen derzeit kaum möglich. Schnelle Neuwahlen und eine Aufhebung des Kriegszustands kommen für die politischen Akteure in der Ukraine nicht in Frage. Auch die amerikanische Forderung nach territorialen Zugeständnissen stößt auf entschiedene Ablehnung – zu groß ist für jeden Parteiführer das Risiko, sich dadurch politisch ins Abseits zu manövrieren. Ein Teufelskreis, der sich nur schwer durchbrechen lässt – und letztlich nur dem Kreml in die Hände spielt.
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