Hauptziel Vertreibung
Von Jörg Tiedjen
Während die Feuerpause in Gaza auf der Kippe steht und es ungewiss ist, ob bei den am Montag fortgesetzten Verhandlungen in Doha ein dauerhafter Waffenstillstand erzielt werden kann, geht der israelische Krieg gegen die Palästinenser im Westjordanland unvermindert weiter. Dabei sind in der Stadt Dschenin laut dpa am Dienstag drei Menschen getötet worden. Israels Armeeführung sprach demnach von einem Einsatz gegen »bewaffnete Terroristen«. Lokale Behörden gaben jedoch an, bei den Getöteten handele es sich um zwei Männer und eine 58 Jahre alte Frau. In Asun bei Kalkilja kam es am Dienstag zu einer großangelegten israelischen Militäraktion mit Haus-zu-Haus-Durchsuchungen und Verhaftungen.
Laut der Nachrichtenagentur Petra hatten israelische Siedler am Montag im nördlichen Westjordanland einen neuen illegalen Außenposten errichtet. Einer Erklärung der Gemeinde Huwara zufolge hätten sie auf einem Gelände, das sie vor etwa einem Monat planiert hätten, Zelte aufgebaut. Nach Angaben der Palästinensischen Nationalbehörde in Ramallah gebe es gegenwärtig acht solche Versuche, weiteres palästinensisches Land in der Westbank widerrechtlich zu besetzen.
Am Montag verhafteten die israelischen Besatzungstruppen im Westjordanland 19 Palästinenser. Dazu hätten sie unter anderem in Kalkilja, Ramallah, Bira, Bethlehem und Hebron Razzien durchgeführt, unter dem Vorwand, die betreffenden Personen würden »gesucht«, wie Petra berichtete. Gleichzeitig habe die Armee fortgefahren, Infrastruktur und Häuser zu zerstören, was in den vergangenen Wochen zu Massenvertreibungen in den Städten Tulkarem und Dschenin geführt habe.
Einem am Montag veröffentlichten Bericht der palästinensischen Kommission für Häftlingsangelegenheiten, des Palestinian Prisoners Clubs, der NGO Addameer Prisoner Support sowie der palästinensischen Menschenrechtsvereinigung zufolge hat die israelische Besatzungsarmee im Februar in der Westbank insgesamt 762 Palästinenser verhaftet. Die Zahl der dort Festgenommenen sei damit seit dem Beginn des jüngsten Gazakriegs am 7. Oktober 2023 auf 15.640 gestiegen.
Im libanesischen Fernsehsender Al-Majadin hieß es dazu am Montag, dass die Verhaftungen als Teil einer israelischen Strategie angesehen werden könnten, die Zahl der palästinensischen Gefangenen auszugleichen, die im Rahmen des jüngsten Waffenruheabkommens zwischen der Hamas und der israelischen Regierung freigekommen sind. Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass Israel bei weiteren Verhandlungen mit der Hamas über einen Geiselaustausch genügend »Verhandlungsmasse« habe.
Zwei Tage nach der Vereinbarung der Waffenruhe für Gaza hatte Israel am 21. Januar unter dem Namen »Eiserne Mauer« mit einem Angriff auf Dschenin den größten Militäreinsatz im Westjordanland seit langem begonnen und diesen in den folgenden Tagen auf weitere Städte ausgeweitet. Medienberichte legten nahe, dass die Operation auch ein Zugeständnis an die extreme Rechte in der gegenwärtigen israelischen Regierung gewesen sei, die eine Feuerpause in Gaza abgelehnt hatte.
Der Krieg gegen die Palästinenser sollte also nicht unterbrochen werden, sondern in der Westbank fortgesetzt werden, bis alle Geiseln, die sich noch in der Hand der Hamas befinden, im Rahmen der Vereinbarung über die Feuerpause freigekommen sind. Dann würde man auch die Kampfhandlungen in Gaza wiederaufnehmen, um die Hamas komplett zu vernichten, wenn nicht die Palästinenser dauerhaft zu vertreiben – auch aus der Westbank. Über dieses Ziel hat nicht allein Israels Ultrarechte bislang keinen Zweifel aufkommen lassen.
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