Dein roter Faden in wirren Zeiten
Gegründet 1947 Donnerstag, 13. März 2025, Nr. 61
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Dein roter Faden in wirren Zeiten Dein roter Faden in wirren Zeiten
Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 12.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Revolutionäre Realpolitik

SDF trifft Abkommen mit Damaskus
Von Nick Brauns
Syria_Kurds_85049482.jpg
Die kurdisch dominierten SDF kontrollieren ein Drittel des Landes (Kamischli, 15.2.2025)

Das Abkommen zwischen Syriens Präsident Ahmed Al-Scharaa und dem Oberkommandierenden der Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) Mazlum Abdi sieht die Integration der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in den syrischen Staat vor. Weitere Punkte betreffen einen Waffenstillstand, die sichere Rückkehr von Vertriebenen etwa in die derzeit noch unter türkischer Besatzung stehenden Gebiete wie Afrin und gleiche Rechte für alle Syrer, unabhängig von ihrer Ethnie und Religion.

Der Aufruf Abdullah Öcalans an die PKK-Guerilla zur Waffenniederlegung richtete sich zwar nicht an die SDF. Dennoch dürfte er zu dem unter Vermittlung der USA zustande gekommenen Abkommen beigetragen haben, das der Türkei nun einen gesichtswahrenden Rückzug in Nordsyrien ermöglichen könnte.

Auffällig ist der Zeitpunkt während der schlimmsten Gewaltexzesse der mit der Übergangsregierung verbundenen Milizen gegen die alawitische Minderheit in Latakia. Doch Al-Scharaa, der bislang auf die Ausgrenzung der nichtsunnitisch-arabischen Bevölkerunsgruppen setzte, ist unter Druck geraten durch den Aufstand früherer Assad-Loyalisten an der Küste und von Israel ermutigter Separationsbestrebungen der Drusen im Süden. Zur Stabilisierung seiner Herrschaft sucht er die vorläufige Einigung mit den Kurden. Deren Vertreter wiederum hoffen, durch Mitsprache im syrischen Staat zum besseren Schutz aller Minderheiten beitragen zu können.

Bei dem Abkommen handelt es sich um ein Memorandum of Understanding. Entscheidende Fragen – etwa ob die SDF-Mitglieder der syrischen Armee einzeln oder als Block beitreten – sind noch offen. Vorerst dürfte sich vor Ort ebenso wenig ändern wie 2019, als nach einem Abkommen der SDF mit der Assad-Regierung nur symbolische Kontingente der syrischen Armee an die Grenze vorrückten.

Abdi, dem nicht nur kurdische Nationalisten nun »Verrat« vorwerfen, handelte aus einer Position der Stärke mit über 100.000 mehrheitlich arabischen SDF-Kämpfern im Rücken. Das Abkommen ist aber auch ein Zeichen revolutionärer Realpolitik zur vorläufigen Sicherung der Errungenschaften der Selbstverwaltung. Denn Abdi weiß, dass die Kurden bei einem Krieg gegen Damaskus von ihren US-Partnern wie schon angesichts der türkischen Angriffe auf Nordsyrien in Stich gelassen würden. Israel, das sich als Freund der Kurden inszeniert, in Wahrheit aber auf ein ethnisch-religiös zerstückeltes Syrien setzt, kommentierte die Einigung auf seine Weise: mit Luftangriffen im Süden Syriens.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Kurdische Jugendliche in Diyarbakır während der Liveübertragung ...
    04.03.2025

    Warten auf Ankara

    Türkei: Trotz Waffenstillstand der PKK setzt die türkische Armee ihre Angriffe fort. Kurdische Politiker hoffen dennoch auf positive Schritte des Staates
  • Empfang für Teilnehmer eines Konvois von Zivilisten, die am Tisc...
    24.02.2025

    Widerstand aus dem Untergrund

    Während die Türkei Nordsyrien angreift, hofft die Autonomieverwaltung auf eine Einigung mit Damaskus

Mehr aus: Ansichten