Noch knapper gescheitert
Von Karim Natour
Auch nach dem endgültigen Ergebnis der Bundestagswahl ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht im Bundestag vertreten. Am Freitag stellte der Bundeswahlausschuss das Ergebnis vom 23. Februar vor. Die junge Partei erhielt demnach 2,473 Millionen Zweitstimmen, so Bundeswahlleiterin Ruth Brand in Berlin. Das sind 4.277 Stimmen mehr als beim vorläufigen Ergebnis unmittelbar nach der Wahl und 4,981 Prozent der Stimmen. Für einen Einzug fehlen der Partei 9.528 Stimmen. Die Korrekturen in den einzelnen Bundesländern waren bereits am Donnerstag öffentlich geworden.
BSW-Chefin Wagenknecht kritisierte gegenüber dpa, möglichen Zählfehlern sei nicht flächendeckend nachgegangen worden, und forderte erneut eine komplette Neuauszählung. Es stelle das »Fundament unserer Demokratie in Frage«, dass bis zu einer solchen Neuauszählung die Zusammensetzung des Bundestags »mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem Wählerwillen entspricht«.
Am Donnerstag abend hatte das Bundesverfassungsgericht mehrere Anträge der Partei abgelehnt, mit denen eine bundesweite Neuauszählung der Wahl noch vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses hätte erreicht werden sollen. Der Verein Wahlrecht.de kritisierte auf seiner Website die »immer noch intransparente Praxis«, die eine umfangreiche Auswertung der Bundestagswahl erschwere. So würden die vorläufigen und endgültigen Wahlergebnisse auf Wahlbezirksebene in den Ländern nicht zentral veröffentlicht. Das Gericht in Karlsruhe verwies in seiner Entscheidung auf das übliche Wahlprüfungsverfahren und erklärte: »Ebenso wie vor der Wahl ist auch vor der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses Rechtsschutz in bezug auf diese Wahl nur begrenzt möglich.« Parteigründerin Sahra Wagenknecht nannte die Entscheidung am Donnerstag abend »bedauerlich«. Diese zeige, dass es bei den juristischen Möglichkeiten der Wahlprüfung »erheblichen Reformbedarf« gebe.
Das Wahlprüfungsgesetz sieht vor, dass erst nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses beim Bundestag schriftlich begründete Einsprüche durch jeden Wahlberechtigten eingelegt werden können. Über einen Einspruch entscheidet im Anschluss das Parlament. Gegen den Beschluss des Plenums kann dann innerhalb von zwei Monaten eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Das Problem: Das Verfahren dauert Monate. Und ein Einzug des BSW in den Bundestag hätte Konsequenzen, auch für die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union. Mit dem BSW im Parlament bräuchte »Schwarz-Rot« zusätzlich noch die Grünen, um eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Es ist davon auszugehen, dass das BSW auf diesem Weg noch ins Parlament einziehen will.
Keine Partei ist zuvor so knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert. Wegen Unstimmigkeiten hatte das BSW daher darauf gepocht, noch vor Feststellung des Endergebnisses eine bundesweite Neuauszählung zu verordnen. Am Donnerstag hatte Wagenknecht die bisherigen Überprüfungen bemängelt und erklärt, nur in wenigen Wahllokalen habe es Neuauszählungen gegeben. Dass »selbst diese relativ wenigen Überprüfungen dazu geführt haben, dass über 4.000 Stimmen zusätzlich« gefunden wurden, sei ein Indikator dafür, dass die Partei die Fünfprozenthürde überschritten haben könnte. Noch immer gebe es Wahlbezirke, in denen »das BSW angeblich null Stimmen hat und Kleinstparteien wie Bündnis Deutschland unwahrscheinlich viele«. Daneben könnten Verwechslungen von BSW- und Bündnis-Deutschland-Stimmen und falsch gezählte ungültige Stimmen in »jedem der rund 90.000 Wahlbezirke stattgefunden haben«.
Auch bei anderen Parteien wurden leichte Stimmenkorrekturen vorgenommen. Das war auch bei früheren Bundestagswahlen der Fall. So kamen bei der CDU 1.674 Stimmen dazu, bei der SPD 840 und bei der AfD 1.632. An der Sitzverteilung hat sich gegenüber dem vorläufigen Ergebnis allerdings nichts geändert.
Der EU-Abgeordnete des BSW, Fabio De Masi, hatte bereits unmittelbar nach den Wahlen auf Unstimmigkeiten bei den Ergebnissen aufmerksam gemacht. Am Donnerstag erklärte er bei X, er sei »stolz und dankbar, wie viele Menschen« das BSW bei der »Jagd nach den verlorenen Stimmen« unterstützt hätten. Man habe »so oder so erreicht, was noch keine Partei bei ihrem ersten Wahlantritt erreicht« habe. Auch De Masi kritisierte das offizielle Wahlprüfverfahren. Der Bundestag könne sich nun als »Richter in eigener Sache quasi unbegrenzt Zeit lassen, über eine Wahlanfechtung« zu beraten.
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