Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 15.03.2025, Seite 5 / Inland
Inflation bei Lebensmittelpreisen

Keine Butter aufs Brot

Inflation verharrt auf hohem Niveau. Immer mehr Haushalte sparen an Lebensmitteln, Foodwatch fordert Gegenmaßnahmen
Von Ralf Wurzbacher
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Ein Block Butter kostete im Februar 27,9 Prozent mehr als noch zwölf Monate zuvor

Vorsicht, Falle! Wenn von stagnierender oder sinkender Inflation die Rede ist, bedeutet das dennoch: Das Leben wird teurer. Und dabei bleibt es. Eine ganze Palette schlechter Nachrichten für Deutschlands Verbraucher hielt am Freitag das Statistische Bundesamt bereit. Die Preise für Waren und Dienstleistungen lagen im Februar um 2,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Insbesondere Lebensmittel schlugen mit einem Plus von 2,4 Prozent einmal mehr tief ins Kontor, nach einer Steigerung von »nur« 0,8 Prozent im Januar. Deutlicher waren die entsprechenden Kosten zuletzt zum Jahresauftakt 2024 gestiegen, damals um 3,8 Prozent. Bekanntlich belastet dieser Posten vor allem Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel über die Maßen, was wiederum heißt: Sie werden noch ärmer.

Ökonomen sprechen bei einer Teuerungsrate von etwa zwei Prozent von »Normalisierung«. Aber was ist an einem Block Butter, der im Februar 27,9 Prozent mehr kostete als zwölf Monate davor, noch normal? Bei Speiseölen beträgt der Aufschlag 11,9 Prozent, beim Obst vier Prozent, beim Gemüse 3,9 Prozent und bei Milchprodukten 3,7 Prozent. Nur für Brot und Fleisch müssen Konsumenten vergleichsweise moderat draufzahlen, 1,1 beziehungsweise 0,2 Prozent mehr. Kostspieliger wurde es trotzdem. Wirklich billiger sind inzwischen Energieprodukte zu haben, also Strom, Gas, Heizöl oder Benzin mit einem Minus von 1,6 Prozent verglichen mit Januar. Allerdings liegen die Ausgaben noch immer deutlich über dem Stand von vor der »Zeitenwende«.

Eine Entspannung verspricht die nähere Zukunft nicht. Wie die Statistiker aus Wiesbaden am Freitag ebenfalls vermeldeten, haben auch die Großhandelspreise nach einer Phase der Beruhigung abermals kräftig angezogen – um 0,6 Prozent gegenüber Januar und 1,6 Prozent im Vorjahresvergleich. Besonders betroffen sind auch hier Nahrungs- und Genussmittel mit plus 4,4 Prozent gegenüber Februar 2024. Kaffee, Kakao, Tee und Gewürze machten einen Satz von knapp 44 Prozent, Zucker, Süß- und Backwaren um fast 15 Prozent. Gleichwohl klagt der Großhändlerverband BGA über rückläufige Umsätze. Jüngst äußerte Präsident Dirk Jandura angesichts verbreitet mieser Stimmung in der Branche: »Schlechtere Zahlen habe ich bisher nie gesehen.« In der Regel gibt der Einzelhandel höhere Einkaufspreise zeitversetzt an seine Kundschaft weiter. Hier lauert also schon der nächste Preisschock. Genauso läuft es bei den Erzeugerpreisen. Auch die haben sich nach Angaben des Bundesamts erhöht: um 2,8 Prozent gegenüber Januar 2024. So verteuerten sich etwa Tafeläpfel um 16,5 Prozent und Milch um 19,1 Prozent.

Gemäß einer Forsa-Erhebung im Auftrag der Verbraucherorganisation Foodwatch wünschen sich fast 90 Prozent der Bevölkerung von der kommenden Bundesregierung Maßnahmen, damit Lebensmittel wieder bezahlbar werden und bleiben. Die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse müsse gestrichen werden, zudem eine staatliche Beobachtungsstelle die Preisentwicklungen insbesondere bei den großen Handelskonzernen analysieren und in leicht verständlicher Form öffentlich machen, erklärte am Freitag Foodwatch-Mitarbeiterin Alina Nitsche. »Union und SPD sollten nicht nur Geschenke an Gastronomen und Landwirte verteilen, sondern dafür sorgen, dass gutes und gesundes Essen für alle Menschen möglich ist.«

Infolge eines Preisauftriebs von 34 Prozent seit 2020 sparen immer mehr Menschen an ihrer Ernährung. Laut der Umfrage kaufen 64 Prozent inzwischen weniger Fleisch ein, 30 Prozent weniger Milchprodukte, und 22 Prozent machen Abstriche bei Obst und Gemüse. Die Nöte treffen dabei nicht nur die Ärmsten. Fast jeder siebente Befragte mit mittlerem Einkommen gab an, Einschnitte beim Essen vorzunehmen. Die von Foodwatch geforderte Aufsichtsstelle müsse systematisch Daten zur Preisentwicklung bei den Supermarktketten erheben und auswerten, so Nitsche. »Der Wettbewerb zwischen Aldi, Rewe und Co. funktioniert nicht. Wir brauchen eine regelmäßige Beobachtung der Preisgestaltung, um illegale Preisabsprachen zwischen den Handelsriesen zu erschweren.« Noch etwas kennt in Deutschland kein Halten mehr: Die Zahl der Firmenpleiten stieg von Januar auf Februar um 12,1 Prozent.

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