»Dafür bin ich nicht Krankenpflegerin geworden«
Interview: Susanne Knütter
Es regt sich Protest. Zum Beispiel in München. Dort soll am Sonntag eine Kundgebung mit dem Motto »Den Wahnsinn stoppen. Heraus zu Protest und Widerstand gegen Krieg, Hochrüstung und Kriegswirtschaft. Nein zu den Kriegskrediten« stattfinden. Wer steckt dahinter?
Das sind einfache Aktive aus den Betrieben. Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen aus München. Die Gruppe um »Sagt nein!« die zum Verdi-Bundeskongress die große Petition »Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden« gestartet hatte. Das dortige Friedensbündnis. Die Kundgebung ist aus der Entrüstung über diese Hochrüstung entstanden. Und aus dem Gefühl heraus, dass man relativ schnell und spontan auf die Straße gehen muss.
In den vergangenen Jahren brauchten Friedensdemonstrationen einen sehr langen Vorlauf. Dass jetzt spontan Kundgebungen zustande kommen, ist erfreulich. Kommt Bewegung in die Friedensbewegung?
Ich hoffe es. Denn wir sind gerade in der Minderheit. Über Presse und Fernsehen wird unheimlich viel Angst geschürt, und zwar auch mit Hilfe von Falschinformationen. Etwa wenn suggeriert wird, Putin stehe schon vor der Tür. Ich erschrecke darüber, wie um mich herum Menschen, die immer absolut gegen Rüstung und Hochrüstung und für Verhandlungen waren, plötzlich sagen: »Ja, aber ein bisschen brauchen wir doch.« Wir müssen jetzt den Falschinformationen vernünftige Argumente und Zahlen entgegensetzen.
Welche Argumente sind das?
Es gehe um Verteidigungswaffen. Aber aus Publikationen der Informationsstelle Militarisierung geht hervor, dass es um Angriffswaffen geht. Und wir müssen uns auch keine Illusionen darüber machen, wer am Ende die Zeche zahlt. Wir, die wir jeden Tag arbeiten gehen, werden das bezahlen müssen. Ich arbeite im Krankenhaus. Jahrzehntelang sagt man uns schon, es gebe kein Geld für Gesundheit. Aber es gibt Geld, die Gesundheit zu zerstören. Wir bezahlen, indem alles noch maroder wird. Und im Krieg zahlen wir auch, weil unsere Kinder dahin geschickt werden. Das sind nicht die Kinder der Reichen.
Es gibt also tatsächlich Diskussionen im Betrieb, im Krankenhaus?
Wenn man sie führt. Die Anforderung gibt es bereits, dass die Krankenhäuser militärisch aufgerüstet, dass wir besser auf Kriegsverwundungen geschult werden müssten. Und Kooperationen mit der Bundeswehr gibt es auch schon. In den 80er und 90er Jahren gab es eine gute Bewegung gegen solche Kooperationen. Ich habe nicht Krankenpflege gelernt, um Soldaten heilzumachen, damit sie wieder in den Krieg geschickt werden. Das ist nicht meine Motivation.
Wie ist es um Verdi als Friedensorganisation bestellt?
Auch innerhalb meiner Organisation merke ich, wie sich der Wind dreht. Es gab immer ein einheitliches Commitment gegen Hochrüstung, Atomwaffen und Waffenlieferungen. Jetzt werden wir als Träumer hingestellt.
Aber auch bei den zurückliegenden Kriegen waren die Gewerkschaften immer auf Regierungskurs. Also je nachdem, ob die SPD an der Regierung beteiligt war oder nicht.
Jein. Die Gewerkschaften waren schon immer sehr SPD-lastig. Und sie waren beim Widerstand nicht vorn mit dabei. Aber sie waren friedenspolitisch. Das ist jetzt anders. Anträge gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete kriegt man jetzt z. B. nicht mehr durch.
Sie sind auch Mitglied der Verdi-Tarifkommission für den öffentlichen Dienst. Am Freitag begann die dritte Verhandlungsrunde. Sind die Rüstungsausgaben in den Beratungen und Verhandlungen Thema?
Wenig. Im Bezirk München haben wir die Kampagne »Soziales rauf, Rüstung runter«. Wir haben bewusst entschieden, dass die beiden Themen unabdingbar miteinander verknüpft werden müssen. Auf den Kundgebungen ist es schon ein Thema. Jedem ist klar, dass, wenn man Milliarden in die Rüstung steckt, nichts übrig bleibt. Gleichzeitig werden diejenigen verschont, die hier das Geld ohne Ende verdienen, die wenig Steuern zahlen müssen.
Und in den Gesprächen mit den kommunalen Unternehmern und Innenministerin Nancy Faeser?
Ich denke, auch Frank Werneke muss um den Widerspruch zwischen Hochrüstung, Sozialabbau und Löhnen in der öffentlichen Daseinsvorsorge wissen.
Ingrid Greif ist Verdi-Vertrauensfrau in der Klinik Bogenhausen in München
Kundgebung »Nein zu den Kriegskrediten«, So., 16.3., ab 11 Uhr, Marienplatz in München
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