Roter Teppich für Mörder
Von Nick Brauns
Hundert Tage nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad ist am Montag die 9. internationale Syrien-Konferenz in Brüssel zusammengekommen. Vertreten sind neben den EU-Regierungen und den USA auch Staaten der Nahostregion, Vertreter der Vereinten Nationen sowie erstmals auch die aus der dschihadistischen Haiat Tahrir Al-Scham, HTS, hervorgegangene syrische Übergangsregierung. Der syrische Außenminister Asaad Al-Schaibani, dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede ein »sehr herzliches Willkommen« aussprach, ist ebenso wie Ahmed Al-Scharaa, der von seinen Warlords zum Präsidenten ausgerufene Chef der Übergangsregierung, ein früherer Führer der Terrororganisaton Al-Qaida.
Für die nun in Damaskus herrschende Kopfabschneiderbande bedeutet der rote Teppich, der ihr in Brüssel zu einem Zeitpunkt ausgerollt wird, an dem das Blut Tausender von den Schergen der Übergangsregierung in der syrischen Küstenprovinz Latakia abgeschlachteter Alawiten noch nicht getrocknet ist, einen entscheidenden Schritt zu ihrer internationalen Anerkennung. Von der Leyen erklärte, sie sehe die Schritte der syrischen Behörden positiv, Rechenschaft für die Massaker an der Küste zu übernehmen. Die Täter sollen also nach Meinung der EU-Spitze selbst über ihre Verbrechen urteilen. Eine Handvoll verhafteter Dschihadisten, die ihre Greueltaten entgegen Al-Scharaas ausdrücklichen Verbot gefilmt hatten, wurden von der syrischen Regierung bereits als Bauernopfer zur Beruhigung ihrer europäischen Geldgeber präsentiert.
Dass der vergangene Woche vorgelegte Entwurf einer syrischen Übergangsverfassung die autoritären Elemente der außer Kraft gesetzten Verfassung der Assad-Ära nunmehr im religiösen Gewand präsentiert, wird auf der Brüsseler Konferenz nicht als Problem gesehen. Es herrscht lediglich die Sorge, dass Al-Scharaa die Kontrolle im Land verlieren könnte.
»Nur wenn alle Bevölkerungsgruppen im nationalen Übergangsprozess eingebunden werden, kann eine langfristige Befriedung Syriens gelingen«, mahnte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor Konferenzbeginn und warnte vor einem »Abrutschen in neue Gewalt und Instabilität«. Die Wortwahl ist bezeichnend. Nachdem die westlichen Staaten fast 14 Jahre lang den syrischen Bürgerkrieg mit Waffenlieferungen an die islamistischen Rebellen im Namen von Freiheit und Demokratie angeheizt haben, ist in der Erklärung der sonst den Wertediskurs frönenden Bundesaußenministerin jetzt nach dem erreichten Sturz Assads ebenso wenig von Demokratie die Rede wie in den Verlautbarungen Al-Scharaas.
»Wir danken denen, die uns zur Seite stehen. Sie investieren in Sicherheit«, bekundete Außenminister Al-Schaibani gegenüber seinen Förderern in Brüssel. Die nun mit Krawatte und gestutztem Bart auftretenden Ex-Al-Qaida-Bombenleger lassen sich das Mandat der EU erteilen, Ruhe in Syrien herzustellen – eine Friedhofsruhe, wie die Massaker in Latakia zeigen.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. März 2025 um 16:04 Uhr)Alles eine Frage der »richtigen« Werte. Und die bestimmen sich ausschließlich danach, ob und inwieweit ein Land oder eine Region für den westlichen Imperialismus von Nutzen ist und was bzw. wieviel es dort für die freiheitlich-demokratischen »Werte«-Krieger zu holen gibt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (18. März 2025 um 11:02 Uhr)Meiner überzeugenden Meinung/Haltung nach ist eine bundesrepublikanische deutsche Außenministerin, die stets weltweit feministische Ziele sogar in Arabien zur Kenntnis nahm, da ja erst neulich selbstbewusst hintergründig, unverzichtbar in der Weltpolitik. Oder alle sind froh, dass wir nix mehr vom Munipalatismus in Gregorien (sic!) und überall zu hören bekommen. Ich schlafe der Weltöffentlichkeit vor, uns diese Fachkraft zu erhalten, die erst gestern. – Kaum zu fassen, dass ich mir dermaßen viel Mühe um einen einigermaßen freundlichen … Und schon ist sie weg.
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Leserbrief von roter Rudi (18. März 2025 um 06:20 Uhr)Diese sogenannten Bluttaten kann man der neuen syrischen Regierung nur zum Teil zuschreiben: vielmehr handelte es sich um Selbst- bzw. Lynchjustiz von Teilen der Armee, die Rache an dem, was zum Umfeld des Assadclans gehörte, nehmen wollte. Entsprechend des nationalen Gedankengutes und des Eintretens für seine syrische Nation (eine ohne Assad) wurde kreuz und quer an all denen ein Gemetzel veranstaltet, die irgendwie Assad zugeschrieben werden. Außerdem besteht ja auch die neue syrische Armee so, wie die Regierung im großen Stil Multikulturalismus ausruft, aus unterschiedlichsten Strängen und Strömungen, die sich vormals noch bekämpft haben.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (18. März 2025 um 13:00 Uhr)Sie mit wem aufgewachsen? Und sind der Meinung, dass das Massenmorden für uns alle okay ist? Ist das weltweite Staaatsraison? Unter Staaatsraison fallen nach arischem/deutschen/Berliner-Recht nur: ein blonder Jesus von ein Meter achtzig Größe. Wie er in allen Kirchen herumhängt.
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Leserbrief von Ali Hasan (17. März 2025 um 23:30 Uhr)Diese Mörder haben meinen Cousin, Professor Muhannad Hassan, seine Frau Lina und ihre kleine Tochter Menisa in Banias an der syrischen Küste brutal ermordet. Und jetzt nimmt Europa diese Terroristen auf und unterstützt sie mit Hunderten von Millionen. Eine Schande und eine Schmach!
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Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (18. März 2025 um 17:03 Uhr)Lieber Ali Hasan, wir trauern mit Ihnen! Sie sollen wissen, dass es nicht wenige Menschen in unserem Land gibt, die das ähnlich sehen. Bitte unterscheiden Sie immer zwischen Völkern und Regierungen, wenn Sie auf den Wahnsinn aktueller Politik stoßen.
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