Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 18.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Sorgen

Rosa Gotteskringel: Zipperlein

Von Marc Hieronimus
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Der HERR schmollte mit ihm. Reuter quatschte ganz gern über ihn und die Welt, aber wenn er zum Beispiel mal in Ruhe seine Bierdeckel zählen oder die Möbel auseinandernehmen wollte, brachten ihn seine düsteren Prophezeiungen manchmal ganz schön durcheinander. So hatte er Ihm neulich im Waschsalon gesagt, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, aber ich wasche gerade die Socken für das nächste Jahr. Wären andere nicht auch mal ganz froh, was von Dir zu hören? Da blieb Er sprachlos, der HERR. Und verpasste Reuter wohl zur Strafe einen kitschig-pinken Heiligenschein, mit dem man sich nur verstecken konnte. Zum Glück war gerade Karneval. Am Ende schmiss er das Ding einfach weg.

Auch die Außerirdischen waren jetzt anständig und kamen nur noch an den Feiertagen, seit er einen von ihnen im Streit verkleinert und dann versehentlich den Igeln gegeben hatte. Wenn sie sich noch hereinmaterialisierten, waren sie als Nachbarn oder Feuerwehrleute verkleidet. Das war keine schlechte Idee, aber seine Nichte und Frau Bongartz waren doch erstaunt, als neulich zum Geburtstag ein Löschzug vor der Türe stand. »Anwohner« folgten den Uniformierten, angeblich hatte seine Mülltonne Feuer gefangen. Vielleicht der rosa Gotteskringel? Reuter kniepte ihnen zu, und sie feierten mit Cherry Coke und Zwiebelschnaps den glücklichen Ausgang der Geschichte. Im Grunde waren sie ja ganz nett. Der Rest des Abends blieb nur bruchstückhaft erhalten.

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Kaum hatte er also seine Ruhe, begannen diese Zipperlein. Den selbstentzündenden Blähungen konnte er noch mit Asbestunterwäsche begegnen. Hätten sie die damals auf den Thermopylen gehabt, wäre bestimmt manches anders gelaufen. Aber dann fing er selbst spontan zu brennen an, hier mal ein Ellenbogen, da ein Finger, das konnte wirklich lästig sein. Sein Arzt, Herr Lebergeist, riet, er solle sein Talent beherrschen lernen. Sicher, Frau Bongartz würde staunen, wenn er ihr Pfeifchen in Zukunft mit dem Daumen zum Qualmen brächte. Vielleicht gehörte das zum großen Plan des Herrn, den er jetzt doch mal gern wieder gesprochen hätte. Zur Not trüge er auch den Kringel wieder. Aber nur zu Hause.

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