Nachschlag: Stempel drauf

Das Deutschlandfunk-»Kalenderblatt« erinnert an den 2005 verstorbenen US-Diplomaten George Kennan. Und trägt extradick auf: Der habe »einer gesamten Epoche seinen Stempel« aufgedrückt. Richtig ist, dass Kennan, in den kritischen Jahren 1947 bis 1949 Planungschef im Außenministerium, eine gewichtige Rolle dabei spielte, die Außenpolitik der USA nach den Jahren der Antihitlerkoalition auf einen Kurs der Konfrontation mit der UdSSR auszurichten. Der Kern seiner Analyse – die Unwilligkeit und sogar Unfähigkeit der Sowjetunion, mit dem kapitalistischen Westen zu koexistieren –, ausgeführt etwa im »langen Telegramm« von 1946, war reine Fiktion und Projektion. Das kann man heute wissen, und doch wird im »Kalenderblatt« fabuliert: »feindseliges außenpolitisches Handeln der Sowjetunion«, »Ausbreitung des Kommunismus«, »Expansionslust des sowjetischen Diktators«. So schwingt man den »Stempel«: Kennan formulierte, was 1946 ff. alle hören wollten und was noch 2025 Musik in den Ohren von DLF-Redakteuren ist. (np)
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feuilleton
-
Vorschlag
vom 18.03.2025 -
Unter Druck
vom 18.03.2025 -
Karneval der Tiere
vom 18.03.2025 -
Auge in Auge
vom 18.03.2025 -
Rosa Gotteskringel: Zipperlein
vom 18.03.2025 -
Sechs Partien Boulez
vom 18.03.2025