Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 19.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Pop

Liebe ist alles

Zum Tod der Rosenstolz-Sängerin AnNa R.
Von Marc Hairapetian
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AnNa R. live in Hannover (16.3.2024)

Ich erinnere mich noch gut an den Auftritt des Duos Rosenstolz 1991 in der Hannoveraner »Schwulen Sau« (so hieß die Kneipe wirklich). Die Band hatte nur wenige Popsongs im Programm und musste sie deshalb als Zugabe komplett wiederholen. Einen Hit hatten sie aber schon: »Schlampenfieber«. Nach einem Bier an der Bar, wo mich, als meine damalige Freundin Kati Kneif auf die Toilette ging, sofort drei ältere Herren wie Motten das Licht umschwärmten und mir weitere Drinks anboten, was ich höflich, aber bestimmt ablehnte, gingen wir backstage, um AnNa R. und Peter Plate von Rosenstolz für mein Magazin Spirit – Ein Lächeln im Sturm zu interviewen.

Im Gegensatz zu ihrem Bühnenauftritt war AnNa – anders als Peter – etwas kurz angebunden. Ihre lakonischen Antworten und seine analytischen Ausführungen machten das Interview nicht nur kontrastreich, sondern auch unglaublich lustig. Am Ende umarmte sie Kati und mich herzlich. 34 Jahre später ist AnNa nun tot. Sie war erst 55 Jahre alt. 1991 waren wir alle vier noch halbe Kinder. Der Rest ist Geschichte: Rosenstolz waren über zwei Jahrzehnte – bis 2012, um genau zu sein – die vielleicht erste massenkompatible deutsche Undergroundband nach der Neuen Deutschen Welle. Peter war der Synthietüftler und Komponist, AnNa die Sängerin, die den Songs mit ihrer unverwechselbaren Stimme die Farbe verlieh.

Rosenstolz standen immer für Vielfalt und Toleranz – in der Musik und darüber hinaus. Und dafür, dass sich Gegensätze – der schwule Junge mit Sehnsucht und der manchmal zerbrechlich wirkende heterosexuelle Vamp – magisch anzogen. Liebe ist wahrlich alles! Ruhe in Frieden, liebe AnNa!

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